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Rocker-Schmiede: Gitarre spielen lernen mit "Rocksmith"

"Rocksmith" Gitarre lernen per Computerspiel

Computerspiel trifft Gitarren-Lernprogramm - bei Ubisofts "Rocksmith" greift man zum echten Instrument, um in "Guitar Hero"-Manier Grifftechniken und Akkorde zu üben. Ein Test von c't Audio Digital.
Von Damon Tajeddini und Volker Zota

So mancher "Guitar Hero" musste bei Gehversuchen mit einer echten Gitarre feststellen, dass sich diese nicht nur anders, sondern auch ungleich schwerer als ein Plastik-Controller spielt.

Statt halber Sachen will Ubisoft es bei "Rocksmith" richtig machen und drückt dem Spieler getreu dem Motto "Jeder kann Gitarre spielen" eine echte Klampfe in die Hand. Die gibt es zwar auch im Bundle mit dem Spiel für rund 200 US-Dollar. Wer jedoch schon eine Gitarre besitzt, braucht nur das Spiel samt "Rocksmith Real Tone Cable" - ein knapp 3,5 m langes Kabel mit integriertem USB-Audiointerface und 6,3-mm-Klinkenstecker. Eine Schnellkupplung verhindert, dass man beim Abrocken die Konsole vom Regal reißt. Weil das Spiel in Deutschland noch nicht veröffentlicht wurde, haben wir die US-Version importiert, die man bei Axelmusic.com für umgerechnet 67 Euro bekommt. Die regionalkodierte Xbox-360-Version funktioniert hierzulande nicht.

Statt Lob vom Gitarrenlehrer gibt es bei "Rocksmith" für richtig gespielte Passagen "Rocksmith Points". Reichte es bei "Guitar Hero", die richtigen Knöpfe zu drücken, muss man auf der Gitarre echte Saiten anspielen, um Punkte zu sammeln und sukzessive neue Techniken respektive Songs freizuschalten. "Rocksmith" liefert bereits eine schöne Auswahl von über 50 weitgehend alternativen Songs mit - von Klassikern wie "Sweet Home Alabama" (Lynyrd Skynyrd) und "Sunshine Of Your Love" (Cream) über "Outshined" (Soundgarden) und "In Bloom" (Nirvana) bis hin zu "Take Me Out" (Franz Ferdinand), "Icky Thumb" (White Stripes), "Plug in Baby" (Muse) oder "Slither" (Velvet Revolver).

Das Spiel simuliert einen vollwertigen Gitarrenverstärker mit den zum jeweiligen Song passenden Einstellungen, so dass korrekt gespielte Töne wie im Original klingen, falsch gegriffene entsprechend schief. Allerdings ist "Rocksmith" recht tolerant, wenn es noch mit dem Timing hapert, was nicht gerade das Taktgefühl fördert.

Dynamische Anpassung an die Fähigkeiten des Gitarristen

"Rocksmith" passt sich dynamisch an die Fähigkeiten des Gitarristen an; gelingen längere Passagen fehlerfrei, zieht es den Schwierigkeitsgrad an, andernfalls senkt es das Niveau - bis hin zur Einblendung von Erklärungen grundlegender Techniken. Eine manuelle Wahl der Schwierigkeitsgrade ist nicht möglich, was den Wiedereinstieg nach längeren Übungspausen erschwert.

Damit "Rocksmith" die gespielten Klänge bewerten kann, muss die Gitarre richtig gestimmt sein, was "Rocksmith" auch allenthalben prüft. Je nach verwendeter Gitarre kam es im Test manchmal zu Fehlerkennungen, möglicherweise wegen alternder Saiten, eines verzogenen Halses oder falsch ausgerichteter Bundstäbchen.

Im Karrieremodus begleitet "Rocksmith" den Spieler vom Roadie bis hin zum Rockstar. Auf Wunsch fungiert die Konsole auch als bloße Verstärkersimulation. Mit einem zweiten Real Tone Cable kann man eine zweite Gitarre anschließen und am Splitscreen als Duo um die Wette jammen.

Grafisch orientiert sich Ubisofts Programm an den verspielten Vorgängern, wirkt allerdings nüchterner und verzichtet auf herumzappelnde Pixelgitarreros. Ein Griffbrett mit farbig kodierten Saiten dominiert das untere Bilddrittel; Linkshänder können das Griffbrett horizontal spiegeln. Die zu greifenden Saiten markiert "Rocksmith" mit farbigen Kästchen; gelb hinterlegte Bundstäbchen zeigen an, auf welchen Bünden die vier Finger der Greifhand liegen sollten. Liegt man eine Saite oder einen Bund daneben, weist "Rocksmith" mit einem Pfeil in die richtige Richtung.

Noten und Akkorde schweben von oben auf das Griffbrett zu - spielt man "nur" Noten, stellt sich anfangs das altbekannte "Guitar-Hero"-Gefühl ein. Doch schnell wird's komplizierter, weil man mit der Greifhand nicht nur den richtigen Bund, sondern auch die richtige Saite darauf drücken muss. Bei Akkorden gilt es darüber hinaus, die richtigen Saiten anzuschlagen.

Wenn "Rocksmith" den angezeigten Bereich des Griffbretts ändert, verliert man durch den Perspektivwechsel mitunter die Orientierung; auch ist etwas schwer zu erkennen, auf welchem Bund einem die Noten entgegenfliegen; spätestens bei Techniken wie Pull-off/Hammer-on schwimmen Anfänger.

Digitaler Lehrer

Didaktisch hinterlässt "Rocksmith" einen ordentlichen Eindruck. Angefangen beim Rolling-Stones-Klassiker "Can't Get No Satisfaction" erlernt der Spieler Stück für Stück alle nötigen Gitarren-Techniken, von einzelnen Noten über (Power-)Akkorde bis hin zu komplexen Grifftechniken. Die Techniken werden in Videoclips und mit separaten Übungen erläutert. Leider bleibt trotzdem manche Anfängerfrage unbeantwortet. Auch fallen die Übungsdurchgänge recht kurz aus. Man sollte sie sinnvollerweise mehrmals hintereinander absolvieren, bevor man "Rocksmith" Glauben schenkt, dass man für "die folgende Herausforderung vorbereitet" sei.

Alle Songs kann man notenweise, als Akkorde und/oder gemischt als Combo-Arrangement komplett durchspielen oder einzelne Passagen und vorkommende Techniken im "Riff Repeater" üben: Im "Free Speed"-Modus stoppt der Song, bis man die jeweiligen Noten/Akkorde gespielt hat. Bei "Leveler" muss man eine Passage mehrmals hintereinander fehlerfrei spielen, um den nächsten Schwierigkeitsgrad zu erreichen. "Accelerator" beschleunigt bei jedem fehlerfreien Durchgang die Song-Geschwindigkeit abhängig von einem anfangs bestimmten Tempo.

Ab einer bestimmten Punktzahl qualifiziert man sich für "Events", bei denen man auf verschiedenen virtuellen Bühnen die gelernten Songs spielt. Wer dabei besonders gut ist, wird von den Fans zu einer Zugabe aufgefordert.

Für Zerstreuung sorgen acht "Guitarcade"-Minispiele, die unter anderem zu einer besseren (blinden) Orientierung auf dem Griffbrett verhelfen: Bei "Ducks" muss man Entchen durch Spielen der richtigen Noten abschießen - eine mit steigendem Level hektische unmelodische Highscore-Hatz, bei der die Gitarre zum Game Controller wird. In "Dawn of the Chordead" ballert man hingegen durch rechtzeitiges Spielen der richtigen Akkorde Zombies ab. Diese Optionsvielfalt resultiert in einem verzweigten Menüsystem, in dem man sich nicht selten verläuft; lange Ladezeiten bremsen die Navigation zusätzlich aus. Das ständige Überprüfen der Gitarrenstimmung ist zwar notwendig, nervt nach kurzer Zeit aber.

"Rocksmith" empfiehlt die Verwendung analoger Audioanschlüsse, um die Latenz zwischen dem Anschlagen und Erklingen der gespielten Noten zu minimieren. Bei HDMI-Anschluss an einen Flachbildfernseher kann es zu einem Bild-/Tonversatz kommen, den man mit der "Display Lag Correction" in den Spieloptionen ausgleichen kann. Wir haben mit analoger Verkabelung und deaktivierter Bildverbesserung am Fernseher die besten Erfahrungen gemacht.

Wer "Rocksmith" nach wochen- oder gar monatelangem Spielen gemeistert hat, beherrscht die wichtigsten Grifftechniken; die Dauermotivation blieb dabei gleichermaßen hoch. Es ersetzt aber weder Gitarrenunterricht noch vermittelt es theoretisches Wissen über Skalen, Stimmungen et cetera. Es hilft aber beim Einstieg und der Entscheidung, ob man sich einen Lehrer leisten möchte. Gerade wenn die Zeit knapp ist, erweist sich "Rocksmith" als praktische Übungshilfe und Begleit-Combo in einem. Der Spielecharakter motiviert besser als andere PC-gestützte Gitarren-Lernprogramme zum Weiterüben.