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"Doom": Der Dämon hat gesiegt

"Doom" im Test Dämonen hier, Höllenlöcher da. Alles abschießen.

Einer der Erfinder des ersten "Doom" hat einmal gesagt: "Eine Geschichte in einem Spiel hat so zu sein wie die in einem Pornofilm." Am neuen "Doom" hat John Carmack nicht mitgearbeitet - das Credo aber blieb.

Spoilerwarnung: In diesem Text wird der komplette Plot von "Doom" verraten. Aber der ist ja auch seit 1993 bekannt.

Eine Hand spannt sich, zerreißt die Kette, die sie an einen steinernen Operationstisch gekettet hält, greift sich einen daneben stehenden Zombie und zerdrückt ihm den Schädel, greift sich eine Pistole, erschießt zwei weitere Zombies. "Doom" braucht nach diesem Anfang keine weiteren Erklärungen. Es ist direkt und brutal. Genau das also, was man vom Nachfolger eines der wichtigsten Spiele der Videospielgeschichte erwartet.

Das erste "Doom" erschien 1993 und revolutionierte Videospiele: Es machte Ego-Shooter bekannt, machte Multiplayerspiele im Netzwerk populär und vor allem: Es machte Spiele gefährlich, hatte eine Wirkung wie Punkrock oder Heavy Metal. Spiele waren auf einmal etwas, das Eltern nicht mehr verstanden und das war schon immer der beste Nährboden für eine Jugendkultur. Mit seiner für damalige Verhältnisse ultrarealistischen Grafik und expliziter Gewaltdarstellung, die mit satanistischer Symbolik verziert wurde, landete es schnell auf der schwarzen Liste von Jugendschützern und selbsternannten Religionshütern - neben Heavy Metal und blutigen Comics. Also genau in der Gesellschaft, in der sich seine Macher gerne sehen wollten.

Überflüssig zu sagen, dass es in Deutschland lange auf dem Index für jugendgefährdende Medien stand und erst 2011 von der Liste gestrichen wurde. "Doom" wurde für das Schulmassaker von Littleton verantwortlich gemacht, was aber mehr mit den Vorstellungen von Moralhütern als mit dem tatsächlichen Geschehen zu tun hatte. So hat "Doom" Videospiele aus einer Nische befreit, hat gezeigt, wie Spiele cool werden können und einer neuen Generation den Weg bereitet. So unterschiedliche Spiele wie "Call of Duty" oder "GTA" wären ohne die kulturelle und auch die technische Vorarbeit von "Doom" kaum denkbar.

Dabei hatten sich doch nur ein paar Nerds aus den USA unter dem Namen id Software zusammengetan, die mit dem absurden "Drittes Reich"-Shooter "Castle Wolfenstein" einen ersten Schritt in Richtung berüchtigter Ruhm getan hatten. Unter ihnen John Carmack, der bald zu einem der einflussreichsten Programmierer werden sollte und inzwischen für Oculus Rift VR-Technologie entwickelt, und John Romero, der wahrscheinlich erste Rockstar unter den Spieleentwicklern. Sie sorgten dafür, dass "Doom" technisch ein Meilenstein war, legten damit den Grundstein für den Boom der Ego-Shooter und bauten sich große Garagen für ihre Ferrari-Sammlungen.

Der Name "Doom" ist also eher eine Bürde, weil eine Neuauflage des Spiels niemals den gleichen Effekt haben kann. Wo das erste "Doom" in ein Vakuum hineinstieß, ist heute ein dicht besetzter Markt. Ego-Shooter sind nichts Neues, sondern ein ziemlich gesättigter Markt. Und vor allem: Sie sind in vielem sehr viel subtiler, komplexer geworden als das bei der geballten Wucht eines "Doom" der Fall war.

Umso schöner, dass sich das neue "Doom" nicht mit Feinheiten aufhält, sondern einfach direkt zuschlägt. Es atmet den Geist des Ahnen, auch wenn von dessen Entwicklern niemand mehr dabei ist, nachdem John Carmack als letzter id-Software-Gründer vor drei Jahren das Studio verlassen hat.

Immer da lang, wo jemand auf einen schießt

Schon von Beginn an macht das Spiel klar, dass es um Action geht, direkt und brutal. Die Hintergrundstory ist gewohnt simpel: Dämonen aus der Hölle brechen in eine Marsstation ein, Aufgabe des Spielers: Alle abschießen, sie bis in die Hölle verfolgen. Damit ist zwar die gesamte Geschichte verraten, aber die ist zum einen seit 1993 bekannt und zum anderen sowieso ein schlechter Witz, aus Achtzigerjahre-Heavy-Metal-Plattencovern zusammengebaut.

"Doom" bleibt damit dem Credo von John Carmack treu: "Eine Geschichte in einem Spiel hat so zu sein wie die in einem Pornofilm: Man erwartet, dass sie da ist, aber im Grunde interessiert sie nicht." Und so wird man auch hier jedesmal nervös, wenn eine Unterhaltung länger als eine halbe Minute dauert, so unspannend ist das, was da besprochen wird. Dämonen hier, Höllenlöcher da. Alles abschießen. Als ob man das nicht selbst wüsste. Der Weg erklärt sich von selbst, meistens: Immer da lang, wo jemand gerade auf einen schießt. Wenn nicht, gibt es dezent eingestreute grüne Lichter, die die Richtung anzeigen.

Das Gameplay ist schnell, flüssig und auf eine blutige Art elegant. Wer länger spielt, kommt in einen Rhythmus der Gewalt: Schießen, Nahkampf, schießen, eine Choreographie, die einen immer wieder in eine blutige Trance fallen lässt, unterbrochen nur von der Kettensäge, die im letzten Notfall anspringen muss, oder einem Nahkampfschlag, der verlorene Gesundheit auffüllen kann. Verstecken geht nicht, "Doom" zu spielen, heißt aktiv zu werden, sich zu bewegen, auszuweichen, schnell zu sein. Auf Dauer allerdings ermüdet das. Weniger des Spielprinzips wegen als wegen der Abwechslung. Die Mars-Level unterscheiden sich nicht großartig voneinander, sind in eintönigen Farben gehalten, die Gegner ähneln sich stark. Auch an die Hölle gewöhnt man sich schnell, obwohl hier die Szenerie etwas abwechslungsreicher wird.

Und so bleibt "Doom" ein Spiel, das sehr viel besser als der Vorgänger "Doom 3" ist, im Grunde aber wenig mehr als eine aufwendig produzierte Revivalshow einer alternden Punk- oder Heavy-Metal-Band ist: schön anzuschauen, hervorragend zu spielen, mit immer wieder sehr guten Momenten und nicht nur aus nostalgischen Gründen interessant. Außerdem finden sich bestimmt noch genug Leute, die man damit schockieren kann. Mission erfüllt.


"Doom" von Bethesda, für PC, Playstation 4 und Xbox One, ab 50 Euro; USK: Ab 18 Jahren

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