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Virtual Reality: Die ganze Welt in einer Brille

Foto: Corbis

Oculus Rift und Morpheus Die virtuelle Realität steht vor der Tür

Die neuen Virtual-Reality-Brillen Morpheus und Oculus Rift sind noch im Entwicklungsstadium - doch was sie leisten, ist beeindruckend. Entwickler stehen schon jetzt vor dem Problem, dass Spielerlebnisse für so manchen zu realistisch sind.

Man merkt man den Vorführern an, dass sie ein bisschen nervös sind. "Geht es Ihnen gut?", fragen sie, wenn man eine Morpheus- oder Oculus-Rift-Brille aufsetzt, und nach ein paar Minuten ziehen sie einem die Geräte vom Kopf und fragen höflich, wie es einem gefallen hat. Bislang wird vielen Menschen nämlich irgendwann schlecht, wenn sie eine der Virtual-Reality-Brillen (VR) längere Zeit aufhaben.

Das ist das größte Risiko für die Hersteller, und unter anderem deshalb gibt es nach wie vor nur Prototypen: "Wir werden selbstverständlich nichts auf den Markt bringen, wovon den Leuten schlecht wird", sagt Jim Ryan, Europachef für Sonys Konsolengeschäft.

Schon jetzt aber tun die Brillen das, was man schon in den Neunzigern für das nächste große Ding hielt: Sie versetzen den Benutzer in eine ihn scheinbar umschließende 3D-Umgebung. Dreht er den Kopf, blickt er in der Simulationswelt nach oben oder unten. Dieses "Head tracking" funktioniert bemerkenswert gut, egal ob man in einem simulierten Raumschiff, Flugzeug oder Auto sitzt.

Allerdings wirken bei beiden Geräten Schwenks noch etwas ruckelig, streifig. Ruht der Kopf aber in einer Position, wird auch das Bild wieder klar. Beziehungsweise halbwegs klar, denn weil die Bildschirme auf Handy-Technik basieren, aber direkt vor den Augen des Nutzers platziert werden, ist das Bild noch ein bisschen pixelig. Wie das eines alten Röhrenfernsehers, bei dem man die einzelnen Bildpunkte erkennen kann.

Wenn der Hai kommt, zuckt man zwangsläufig

Doch das vergisst man das relativ schnell, wenn, sagen wir mal, ein Hai auf einen zuschwimmt. In einer der eindrucksvollsten von vier Sony-Demonstrationen bei der Kölner Gamescom ist das so: Man setzt die Brille auf und findet sich in einem Käfig wieder, der an einem Korallenriff entlang ins Meer hinabgelassen wird. Über Funk - sprich: über den Kopfhörer, den man auch noch trägt - hört man eine Taucherkollegin reden, was man schnell zu ignorieren beginnt, weil ein gewaltiger, hervorragend animierter Hai zuerst Kreise um den Käfig zieht und ihn dann mit seinem mächtigen Gebiss auseinandernimmt.

Man vergisst außerdem, dass man für die Umstehenden vermutlich reichlich seltsam aussieht, wenn man erschrocken zurückzuckt. Irritierend ist nur, dass die eigenen Füße bewegungslos über dem Käfigboden zu schweben scheinen, auch wenn man selbst herumzappelt.

In einer Roll-Rodel-Simulation dagegen, in der man auf einem Sitzsack liegend nur mit Kopfbewegungen ein rasendes Brett eine befahrene Bergstraße hinabsteuert, stört der eigene, simulierte Körper im unteren Teil des Gesichtsfeldes gar nicht. Weil er sich kaum bewegt, genau wie der eigene, echte.

Die Technik funktioniert bei beiden Geräten in etwa gleich: Eine Stereokamera erfasst, wo und in welcher Ausrichtung sich die Brille im Raum befindet. Jede Bewegung wird blitzschnell in die virtuelle Welt übersetzt, die der Benutzer vor seinen Augen sieht. Das bringt durchaus Probleme mit sich: "Je stärker die Immersion, desto zerbrechlicher ist sie auch", sagt Jed Ashford, ein Entwickler, der für Sony an VR-Spielen arbeitet.

Ein Beispiel aus dem Testlabor: Spieler hielten ein echtes Lenkrad in Händen, die simulierten Hände in der Spielwelt auch. Die simulierten Hände aber bedienten hin und wieder Schaltwippen am Lenkrad, während die Spieler sich in einem Automatik-Wagen wähnten. Dass "ihre" Hände sich am Lenkrad ohne ihr Zutun bewegten, brachte viele Tester völlig aus dem Konzept.

"Das ist ein neues Medium, und das Regelwerk dafür ist noch nicht geschrieben", sagt Spieleentwickler David Braben. Auch seine Weltraumsimulation "Elite Dangerous" wird sich mit einer VR-Brille spielen lassen. Die Betaversion vermittelt schon jetzt ein eindrucksvolles Raumflug-Erlebnis.

Durch Zufall ist der richtige Controller schon auf dem Markt

Während Facebook-Chef Mark Zuckerberg Hollywood von den Möglichkeiten zu überzeugen versucht, hat die Spielebranche das Potenzial der Technik längst erkannt. "Wir haben ein paar Projekte auf diesen Geräten", sagt Ubisoft-Chef Yves Guillemot, auch bei Electronic Arts experimentiert man mit den VR-Brillen.

Nur Microsoft-Manager Phil Harrison reagiert einsilbig auf die Frage nach Oculus Rift - obwohl Microsoft doch in Facebook investiert hat und Oculus Rift seit März 2014 zum Facebook-Konzern gehört. "Ich werde hier keine Zukunftstechnologien kommentieren", sagt Harrison, man finde das Thema "interessant", aber nicht so interessant wie "den Flachbildfernseher, der heute schon in jedem Wohnzimmer steht".

Bei Microsofts Hauptkonkurrent Sony dagegen hat man einen Glückstreffer gelandet: Technik, die mit der Morpheus-Brille harmoniert, haben viele Sony-Kunden schon zu Hause. Die Move-Controller für Playstation-Konsolen werden mit derselben Technik im Raum erfasst wie die Morpheus-Brille.

Sony demonstriert das in Köln mit einer Ritter-Simulation: Der Tester bekommt außer der Brille einen Move-Controller in die Hand. Der kann in der virtuellen Welt wahlweise zum Schwert, zum Morgenstern oder zur Armbrust mutieren, mit denen man eine Stoffpuppe in Ritterrüstung malträtieren kann. Die Verknüpfung zwischen Blickrichtung und Handbewegungen funktioniert perfekt, "weil wir ja genau wissen, wo im Raum Ihr Kopf ist und wo der Controller", erklärt ein Entwickler vor Ort. Die realen Abstände werden eins zu eins in den simulierten Raum übertragen.

Von langer Hand geplant war all das nicht, gibt Playstation-Europachef Ryan freimütig zu: "Morpheus war nicht teil einer großen Strategie, die mit Move begann."

"Erinnert die Leute, dass es nicht real ist"

Die Immersion, die sich mit den Geräten erreichen lässt, schafft im Übrigen auch völlig neue Probleme für Entwickler. Jed Ashford von Sony zählte bei einem Vortrag für Entwickler einige auf: "Höhenangst, Klaustrophobie, Angst vor Dunkelheit, vor großen Räumen, vor Spinnen oder Schlangen." Die virtuellen Realitäten wirken schon jetzt so echt, dass für jemanden mit Höhenangst eine simulierte Brücke zum unüberwindlichen Hindernis werden kann. Und Horrorspiele wirken selbst für hartgesottene Fans ungleich realistischer, sagt Ashford: "Wir sehen in Tests Leute, die vorher absolut enthusiastisch sind und dann nach der ersten Runde sagen, sie möchten nicht mehr weiterspielen."

Für all diese Fälle müsse der Designer eines Spiels dem Spieler die Möglichkeit geben, sein Unbehagen auszudrücken - und die Spielsituation für ihn erträglicher zu machen. Ashfords Rat: "Sorgt dafür, dass es sich wieder mehr wie ein Videospiel anfühlt. Erinnert die Leute, dass es nicht real ist."

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