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Peter Sunde und Kim Dotcom Die zwei Gesichter des Copyright-Kriegs

Peter Sunde fleht um Gnade, Kim Dotcom verhöhnt die US-Justiz. Sunde, verurteilt wegen Beteiligung an The Pirate Bay, wird wohl ins Gefängnis gehen. Dotcom, Multimillionär dank Megaupload, lebt auf einem Anwesen in Neuseeland. Beide sehen sich als Kämpfer für Internetfreiheit. Zu Recht?
Dotcom-Selbstdarstellung: Getwittert mit dem Vermerk "Internetfreiheitskämpfer"

Dotcom-Selbstdarstellung: Getwittert mit dem Vermerk "Internetfreiheitskämpfer"

Foto: Kim Dotcom

Peter Sunde würde in Kim Dotcom/Schmitz vermutlich zwei- bis dreimal hineinpassen. Der bekannteste Vertreter der schwedischen BitTorrent-Plattform The Pirate Bay ist schmal, zurückhaltend, spricht meist mit leiser Stimme und hat ein schüchternes Lächeln. Beide, Dotcom und Sunde, gelten den Branchenverbänden der Musik- und Filmindustrie als Erzfeinde. Doch Dotcom, dessen Web-Speicher-Unternehmen Megaupload insgesamt 175 Millionen Dollar umgesetzt haben soll, genießt auf seinem Anwesen in Neuseeland das Leben, unterhält mit Ausfahrten auf dem Segway und Grillpartys sein Twitter-Publikum. Regelmäßig verlinkt er Cartoons, in denen das FBI und die Entertainment-Branche durch den Kakao gezogen werden. Sunde dagegen ist auf dem besten Weg ins Gefängnis.

Der einstige Pirate-Bay-Sprecher aus Schweden ist mittlerweile zu einer Art freiberuflichem Lobbyisten für Internetfreiheit und alternative Erlösmodelle für Künstler aufgestiegen. In einem sieben Druckseiten umfassenden Gnadengesuch  an die schwedische Regierung versucht er nun ein letztes Mal, seine Gefängnisstrafe noch abzuwehren, auch wenn die Erfolgsaussichten "weniger als ein Zehntelprozent" betragen, wie er selbst schreibt. Er werde "ins Gefängnis gehen für Verbrechen, die ich nicht begangen habe. Verbrechen, die überhaupt nicht begangen wurden. Verbrechen, die nicht einmal Verbrechen wären, wenn sie begangen worden wären, und wenn, dann nicht von mir".

"Schwedens Justiz hat Einzelpersonen verkauft"

Vorgeworfen wird ihm, an der Verbreitung von Raubkopien beteiligt gewesen zu sein. Sunde sagt einerseits, die gegen ihn vorgelegten Beweise seien nicht aussagekräftig oder existierten gar nicht, andererseits aber stellt er seinen Fall als exemplarisch für einen größeren Konflikt dar: den Kampf zwischen den Branchen, die mit urheberrechtsgeschützten Inhalten ihr Geld verdienen, und der übrigen Menschheit, die den freien Austausch von Information gegen die Lobbyinteressen dieser Branchen verteidigen müsste. Tatsächlich ist der Einfluss dieser Lobby gerade in Schweden besonders deutlich sichtbar geworden: Das US-Außenministerium übte Druck auf Schwedens Regierung und Justiz aus, damit die etwas gegen The Pirate Bay unternahm.

Ein für den Fall zentraler Ermittler der schwedischen Polizei wurde in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Prozess für sechs Monate freigestellt, um für ein unbekanntes Gehalt vorübergehend für den Unterhaltungskonzern Warner Brothers zu arbeiten . Sunde will herausgefunden haben, dass der Mann seinen Übergangsjob schon in der Tasche hatte, als er Sunde zum ersten Mal verhörte. Auf Lobbydruck sei in seiner Heimat Recht gebeugt worden, glaubt er: "Schwedens Justiz hat Einzelpersonen verkauft. Das sollte in einer Demokratie nicht geschehen."

Hier der Aktivist, dort der Millionär

Dotcom vertritt öffentlich zum Teil sehr ähnliche Thesen wie Sunde zum Thema Internetfreiheit, und doch könnten die Unterschiede zwischen den beiden Männern größer kaum sein: Hier der übergewichtige Unternehmer mit dem sündteuren Fuhrpark, der Riesenvilla und dem ebenso überdimensionierten Ego, dort der stille Tüftler, der Rebell wider Willen, der zu einer Strafzahlung in Höhe von etwa elf Millionen Euro verurteilt wurde, die er nach eigenen Angaben kaum jemals wird abzahlen können. Hier der Unternehmer, der den Vorteil, den er aus massenhaften Urheberrechtsverletzungen gezogen haben soll, in maßloser Weise zur Schau stellt, dort der Aktivist, der wohl tatsächlich an eine neue Netz-Ökonomie glaubt. Sunde ist auch einer der Väter des Dienstes Flattr, mit dem man online Spenden für wertgeschätzte Inhalte verteilen kann.

Doch auch mit The Pirate Bay wurde und wird durchaus Geld verdient, die Seite empfängt den Nutzer mit Pop-up-Werbung für Online-Poker, Suchergebnisse im BitTorrent-Verzeichnis sind in der Regel mit Werbung für Pornosites und Trick-Anzeigen umrahmt: Klickt man auf den falschen Download-Button, landet man auf einer Seite, von der man zur Installation verdächtiger Software aufgefordert wird.

Ein Wohltätigkeitsunternehmen ist The Pirate Bay nicht, aber die Plattform war auch nie so dreist wie Dotcoms Megaupload: Bei The Pirate Bay sind keine Raubkopien gespeichert, die Seite ist ein Verzeichnis, das gewissermaßen Verknüpfungen zwischen Menschen herzustellen hilft, die eine bestimmte Datei ganz oder teilweise auf ihrer heimischen Festplatte haben.

Es gehe hier um privaten Austausch, schreibt Sunde an seine Regierung, und der werde kriminalisiert. Megaupload dagegen gewährte den Nutzern Zugriff auf gewaltige Mengen urheberrechtlich geschützter Dateien - Filme, Musik, Software -, die auf den eigenen Servern lagerten. Besonders schnelle Zugänge, die auch parallele Downloads erlaubten, kosteten eine Gebühr. Damit, nicht mit Werbung, soll der Löwenanteil der vielen Millionen verdient worden sein.

"Das Biest nicht mit Geld füttern"

Sowohl Dotcom als auch Sunde erfahren eine Welle der Unterstützung. In Neuseeland selbst scheint Dotcom wachsende Sympathie zu genießen, wie die "New York Times" kürzlich berichtete . Er selbst verhöhnt unterdessen die US-Justiz, die hinter ihm her ist: Er sei durchaus bereit, in die USA zu kommen, um seinen Namen vor Gericht reinzuwaschen, teilte er mit , vorausgesetzt, man könne ihm einen fairen Prozess garantieren und gewähre ihm und seinen Mitstreitern Zugang zu Geld für "juristische Kosten und Lebensunterhalt". Dem "New Zealand Herald" sagte Dotcom siegesgewiss: "Die werden dem nie zustimmen, weil sie längst wissen, dass sie diesen Fall nicht gewinnen können." Tatsächlich sind bei den Ermittlungen offenbar einige schwerwiegende Pannen passiert - unter anderem erwies sich die Durchsuchung von Dotcoms Anwesen im Nachhinein als illegal.

Peter Sunde dagegen wird wohl kaum um einen mehrere Monate langen Aufenthalt im Gefängnis herumkommen. Daran wird auch eine Petition  nichts ändern, die bis Freitagmorgen knapp 4500 Internetnutzer unterzeichneten. In einem Blog-Eintrag  bedankte er sich für die Unterstützung, die ihm sein Gnadengesuch einbrachte. Man solle ihm aber bitte kein Geld schicken, denn das würde nur in den Schadensersatz für "meine Gegner" fließen. "Ich will dieses Biest nicht mit Geld füttern".

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