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US-Spähprogramm Prism Facebook und Microsoft verraten Umfang der Datenübermittlung

Wie viele Nutzerdaten geben US-Internetkonzerne regelmäßig an den Geheimdienst weiter? Facebook und Microsoft geben im Prism-Skandal erstmals Zahlen bekannt - und versuchen sich zugleich zu verteidigen.
Projektion von Text auf ein Gesicht: Verbrüderung zwischen Wirtschaft und NSA?

Projektion von Text auf ein Gesicht: Verbrüderung zwischen Wirtschaft und NSA?

Foto: PAWEL KOPCZYNSKI/ REUTERS

Seattle/Washingon - Seit Tagen drängen Internetnutzer darauf zu erfahren, wie sehr sie von den US-Geheimdiensten durch das Prism-Programm ausgespäht wurden. Nun hat Facebook erstmals Details zu Anfragen der US-Behörden genannt. Im zweiten Halbjahr 2012 seien 9000 bis 10.000 Anfragen der US-Behörden eingegangen, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Zuvor hatte die US-Internetindustrie der Nachrichtenagentur Reuters zufolge eine Vereinbarung mit der Regierung in Washington getroffen, welche Daten herausgegeben werden dürfen - und welche nicht.

Bei den Anfragen an Facebook, die rund 18.000 bis 19.000 Konten auf dem sozialen Netzwerk betrafen, sei es sowohl um Fälle vermisster Kinder, gewöhnliche Kriminalfälle als auch um Terrordrohungen gegangen, hieß es weiter. Facebook teilte jedoch nicht mit, wie oft es den Anfragen entsprach. In Deutschland hatte die Bundesregierung bei einem Treffen mit der Internetwirtschaft am Freitag dagegen keinen Aufschluss darüber erhalten, ob auch Nutzer in der Bundesrepublik von den US-Geheimdiensten ausgespäht worden sind.

Microsoft erhielt rund 7000 Anfragen

Der Computerexperte Edward Snowden hatte vergangene Woche den Zeitungen "Guardian" und "Washington Post" Dokumente zu Prism übermittelt, mit dem sich die NSA Zugang zu den Daten großer Internetkonzerne wie Facebook  , Google  , Microsoft  , Apple  , Yahoo   und AOL verschafft.

Auch Microsoft rückte nun erstmals Zahlen heraus. Demnach hat der Konzern im zweiten Halbjahr 2012 zwischen 6000 und 7000 Anfragen erhalten, die zwischen 31.000 und 32.000 Konten betrafen. In diesen Zahlen seien sowohl Anfragen zu Kriminalfällen als auch solche mit Bezug zur nationalen Sicherheit enthalten, teilte das Unternehmen mit.

Die Konzerne stehen unter Beschuss, bestreiten aber, dass der Geheimdienst direkten Zugriff auf ihre Server hat. Facebook teilte mit, dass das Unternehmen die Daten seiner Nutzer "aggressiv" schütze. Oft lehne der Konzern die Anfragen ab, fordere die Regierung auf, ihre Anforderungen herunterzuschrauben, oder gebe einfach weniger Daten als gefordert heraus. In jedem Fall gebe Facebook nur so viel heraus, wie es das Gesetz verlange.

Ein Bericht des Finanzdienstleisters Bloomberg setzt die US-Unternehmen jedoch unter Druck. So gebe es einen alarmierenden Schulterschluss zwischen US-Diensten und "Tausenden" US-Firmen aus verschiedensten Branchen von Technologie über Banken bis hin zu Betreibern von Satelliten-Diensten, schreibt Bloomberg.

Die bisherigen Berichte setzten zumindest voraus, dass die genannten Internetunternehmen per Gesetz zur Kooperation mit den Geheimdiensten verpflichtet sind. Der Bloomberg-Bericht zeichnet dagegen das Bild einer freiwilligen Verbrüderung zwischen freier Wirtschaft und der Schattenwelt von Militär und Spionagediensten. Vier Personen, keine von ihnen namentlich genannt, hätten das der Finanzagentur bestätigt. Mal passiert das aus Kalkül, weil Manager sich davon Vorteile für ihr Unternehmen erhofften - und auch bekämen. Andere müsse man als "Patrioten" gar nicht erst lange überreden.

Wie der "Focus" berichtet, verlangte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) Aufklärung von den IT-Konzernen, ob und inwieweit sie an der weltweiten Sammlung von Daten durch den NSA beteiligt sind.

Obama will Merkel bei Berlin-Besuch von Prism überzeugen

Auch für US-Präsident Barack Obama kommt die Enthüllung zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da er kommende Woche nach Berlin reist. Nun bemüht sich das Weiße Haus um Schadensbegrenzung. Obama wolle Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklären, dass Prism allein zur Vereitelung von Terroranschlägen diene und deshalb im Interesse beider Länder sei, sagte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Ben Rhodes am Freitag. "Wir verstehen das große Interesse Deutschlands an der Privatsphäre und bürgerlichen Freiheiten", weshalb Obama die rechtlichen und politischen Schutzklauseln für das Programm erläutern werde.

Unterstützung erhält der US-Präsident von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. "Jeder, der wirklich Verantwortung für die Sicherheit für die Bürger in Deutschland und Europa hat, weiß, dass es die US-Geheimdienste sind, die uns immer wieder wichtige und richtige Hinweise gegeben haben", sagte der CSU-Politiker der "Welt am Sonntag". Diese hätten dadurch geholfen, mehrere Anschläge bereits in der Vorbereitungsphase zu verhindern und Menschenleben zu retten.

Friedrich betonte, er habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sich die USA an Recht und Gesetz halten. Er habe auch keine Hinweise darauf, "dass irgendjemand in Deutschland an Aktionen beteiligt ist, die nicht rechtmäßig wären". In Europa sei die Rechtslage klar: "Inhalte von E-Mails, SMS oder Telefonaten dürfen vom Staat nicht pauschal gespeichert werden." Zugleich ließ Friedrich der Regierung in Washington über den US-Botschafter eine Liste mit 16 Fragen zukommen.

yes/AFP/Reuters
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