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PC-Virenjäger Kasperski "Das Netz wird Kriegsschauplatz"

Der russische Software-Entwickler Jewgenij Kasperski ist sich sicher: Der Krieg im Netz hat längst begonnen. Im SPIEGEL-Gespräch erklärt er, wie aufwendig moderne Schadsoftware ist - und dass es schon vor Jahren erfolgreiche Angriffe auf Stromnetze gab.
Jewgenij Kasperski: Warnt vor neuen Bedrohungen durch die weltweite Vernetzung

Jewgenij Kasperski: Warnt vor neuen Bedrohungen durch die weltweite Vernetzung

Foto: Alexey SAZONOV/ AFP

Angesichts immer häufiger auftretender globaler Hackerattacken warnt der russische Software-Entwickler und PC-Virenjäger Jewgenij Kasperski: "Ich fürchte, dass das Netz bald zum Kriegsschauplatz wird, zur Plattform professioneller Attacken auf lebenswichtige Infrastruktur." Auf die Frage, wann es so weit sei, antwortete Kasperski in einem SPIEGEL-Interview : "Gestern. Solche Attacken hat es schon gegeben."

So hält auch der Russe es für die wahrscheinlichste Erklärung, dass der Computerwurm Stuxnet, der im vergangenen Jahr viel Aufmerksamkeit auf sich zog, eine amerikanisch-israelische Erfindung sein könnte: "Eine hochprofessionelle Arbeit übrigens, die mir wirklich Respekt abnötigt, viele Millionen Dollar kostete und über viele Monate hinweg von einem Team hochqualifizierter Ingenieure betreut worden sein muss."

Der Stuxnet-Wurm, der sich über USB-Sticks verbreitete und sogar in Windows-Systemen einnisten konnte, die mit allen aktuellen Patches abgesichert waren war 2010 von weißrussischen PC-Experten entdeckt worden. Mutmaßlich über verseuchte USB-Sticks gelangte er in iranische Atomanlagen.

In der Urananreicherungsanlage Natanz zerstörte der Computerschädling dann vermutlich rund 1000 Zentrifugen, indem er die dort verwendete Industriesteuerungssoftware manipulierte. Durch Veränderungen an den Rotationsfrequenzen der Zentrifugen wurde deren mechanischer Aufbau so belastet, dass sie schließlich total ausfallen mussten, ein Vorgang, der bei Routinekontrollen nicht bemerkt werden konnte. Das iranische Atomprogramm wurde auf diese Weise massiv behindert.

Aber selbst für den großen Stromausfall, der Teile Nordamerikas im August 2003 lahmlegte, macht Kasperski mittlerweile PC-Schädlinge verantwortlich: "Ich bin mir heute ziemlich sicher, dass diese Katastrophe von einem Virus ausgelöst wurde." Er will überdies nicht ausschließen, dass hinter vielen der aktuellen Hackerattacken heute Regierungen stecken.

Terroristen hätten das Netz bislang zwar vor allem für Kommunikation, Propaganda und zur Rekrutierung neuer Mitglieder und Finanzquellen genutzt. "In Zukunft allerdings müssen wir mit Cyber-Attacken auf Fabriken, Flugzeuge und Kraftwerke rechnen." Kasperski zum SPIEGEL: "Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen. Er kennt nur Täter und Opfer. Alles, was wir erreichen können ist, zu verhindern, dass da draußen alles außer Kontrolle gerät."