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SPIEGEL TV

Online-Partnerbörsen Die virtuelle Liebesfalle

Partnerbörsen versuchen zusammenzubringen, was zusammengehören könnte. Doch manchen Anbietern geht es nicht um Liebe - sondern um Kunden, denen man ein Produkt möglichst teuer verkaufen kann. Ein Blick hinter die Kulissen der Online-Abzocke.
Von Anne-Sophie Hessler

Michael hat angebissen. "Hallo Schmusekätzchen. Du hast wirklich eine klasse Ausstrahlung. Ich will dich kennenlernen." Die Frau, die er unbedingt treffen möchte, heißt Kim. Ihr Profil bei dem kostenpflichtigen Dating-Portal Flirt-Fever klingt vielversprechend. Kim, Spitzname "Wild Kim", 29 Jahre alt, Physiotherapeutin, hat blonde Haare und blaue Augen und beschreibt sich als abenteuerlustig und spontan. Mit ihrer Profilüberschrift: "Kuschelig und gefährlich sucht Löwenbändiger" will sie "aufregende Bekanntschaften machen, aus denen sich vielleicht etwas entwickeln kann". "Wild Kim" ist genau das, wonach Michael gesucht hat. Doch Kim wird er niemals kennenlernen. Denn es gibt sie nicht. Hinter Kim stecke ich.

Zwölf Jahre nach dem Start des ersten großen Dating-Portals namens Parship kehrt in Deutschland Ernüchterung ein. Damals wurde Singles der Weg aus der Einsamkeit versprochen. Es klang einfach. Mit wenig Klicks, ein paar persönlichen Angaben und ein bisschen Glück zappelt bestimmt der richtige Fisch im Netz.

Inzwischen stellt sich heraus, dass die Anbieter häufig mit unseriösen Methoden arbeiten. Es wird getrickst bei der Anmeldung, es werden Probeabos angeboten, die am ersten Tag nach Ablauf ein volles Jahres-Abo zur Folge haben. Doch die Findigkeit der Portalbetreiber geht noch weiter.

Der Markt ist hart umkämpft, circa sieben Millionen Deutsche sind auf rund 2000 Partnerschaftsseiten angemeldet. Der Gesamtumsatz des Dating-Geschäfts beträgt 218 Millionen Euro - davon möchten die Anbieter ein möglichst großes Stück abhaben. Das macht kreativ. Inzwischen beschäftigen Portale Lockvögel, die unter falscher, meist weiblicher Identität chatten und flirten, ohne dass es jemals zu einem Treffen kommt. Vor allem männliche Nutzer sollen so animiert werden, teure Premium-Mitgliedschaften einzugehen, denn nur dann können sie die Mails der hübschen, jungen Frauen lesen.

Leere Phrasen, falsche Profile

In Internetforen beklagen User zunehmend, dass immer mehr standardisierte Antworten verschickt werden. Es ist von gleichen Textbausteinen die Rede und von Links, die auf teure Dating-Portale verweisen. "Ich möchte mehr über dich wissen, schreib mir…" oder "Ich wollte noch ein weiteres Foto von mir hoch laden. Aber es klappt nicht. Folge mir doch auf diese Seite…".

Die Reaktionen der meist männlichen Betroffenen sind deutlich: "Der letzte Mist!" - "Es gibt da nur Fake Profile." - "So viele Fake Profile, dass mir schlecht wird."

Hinter den Profilen stecken sogenannte "IKM-Schreiber/innen" und "Controller/innen", die wie wild im Netz gesucht werden. In den Stellenangeboten heißt es: "Alles was Sie dazu benötigen, ist ein Internet-Anschluss, gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift und keine Scheu vor Erotik. Sie können ganz einfach und bequem von zu Hause arbeiten, circa 15 bis 20 Stunden die Woche. Bezahlt wird pro erfolgreicher Anmeldung eines neuen Nutzers."

Ich arbeite einen Monat lang als IKM-Schreiberin für zwei Agenturen und locke einsame und verzweifelte Männer in eine virtuelle Liebesfalle. Ein Gewissen sollte man bei diesem Job nicht mitbringen.

Meine Arbeitgeber beauftragen mich damit, die potentiellen Kandidaten zu bitten, mir auf die kostenpflichtigen Portale Zauber-Love (99,95 Euro für ein Jahr) und eDates (162 Euro für 9 Wochen) zu folgen. Die Hoffnung, dass man sich dann dort endlich verabreden könne, wird selbstverständlich nie erfüllt. Hat sich der Mann erst einmal angemeldet, habe ich meinen Job als IKM-Schreiberin erfolgreich abgeschlossen.

Teure Hoffnung

Einige Singlebörsen haben in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Passus, der in etwa lautet: "Der Anbieter setzt Controller/innen ein, die unter mehreren Identitäten Dialoge führen können." Damit sichert sich der Anbieter für den Fall eines Verfahrens ab: Die Traumfrau oder den Traummann muss es gar nicht geben.

Denn im Zweifel steckt hinter Kim, 29, der kuscheligen Physiotherapeutin, die eine klasse Ausstrahlung hat, eben nur Helga, 58, die arbeitslose Bürofachkraft, die sich ganz einfach ein paar Euro dazuverdient. Erwachsene Menschen fallen auf so etwas herein, weil sie einsam sind und weil Online-Dating als schick und zeitgemäß gilt. Doch am Ende müssen Singles häufig teuer dafür bezahlen.

Ohnehin wird die Kraft des Online-Datings maßlos überschätzt. Nach einer repräsentativen Allensbach-Studie lernen sich 27 Prozent aller Paare im Freundeskreis kennen, 16 Prozent in einer Bar, 11 Prozent bei der Arbeit und gerade mal zwei Prozent über Single-Portale im Netz.

Mehr zu dem Thema sehen Sie heute Abend im SPIEGEL TV Magazin um 23.30 Uhr auf RTL.

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