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Bombenangriffe in Libyen Krieg der Scheichs

Die Vereinigten Arabischen Emirate sollen Islamisten in Tripolis bombardiert haben. Das Emirat Katar dagegen unterstützt sie. In Libyen tobt ein Stellvertreterkrieg arabischer Autokraten.
Treffen der Arabischen Liga 2009: Der Emir von Abu Dhabi (3.v.l.) posiert noch direkt neben dem damaligen Emir von Katar

Treffen der Arabischen Liga 2009: Der Emir von Abu Dhabi (3.v.l.) posiert noch direkt neben dem damaligen Emir von Katar

Foto: MARWAN NAAMANI/ AFP

Es muss eine gespenstische Szenerie gewesen sein: Aus heiterem maghrebinischem Himmel fielen Bomben. Sie trafen wohl Stellungen islamistischer Milizen, die sich gerade anschickten, den Flughafen von Tripolis einzunehmen. Doch wer die Jets geschickt hatte, das war tagelang unklar.

Nun haben hochrangige US-Beamte der "New York Times" verraten : Nach amerikanischen Informationen sollen die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) die geheimnisvollen Luftangriffe geflogen haben. Unterstützt worden seien sie dabei von Ägypten, wo sie Basen für ihre Flugzeuge nutzen durften. Sogar Spezialkräfte sollen die UAE von dort aus über die Grenze ins libysche Derna geschickt haben, das als Hochburg von Extremisten gilt.

Die Kämpfe und Bombenangriffe sind der vorläufige Höhepunkt eines Ringens um Einfluss: Der 66-jährige Emir von Abu Dhabi und Präsident der UAE, Chalifa Bin Sajid al-Nahajan, steht gegen den 34-jährigen Emir von Katar, Tamim Bin Hamad al-Thani. Chaos legt Ägypten, Syrien und Irak lahm, die kleinen, aber reichen arabischen Golfstaaten wittern deshalb ihre Chance, dort ihnen gewogene Gruppen an die Macht zu bringen.

Katar setzt auf einen politischen Islam, Abu Dhabi auf Moderate

In Libyen hatte Katar seit Beginn der Aufstände 2011 Islamisten-Milizen unterstützt. Das kleine Emirat hofft, zum Player in der Region aufzusteigen, wenn seine Verbündeten in Libyen in Tripolis herrschen. Das Land steht knapp drei Jahre nach dem Tod Gaddafis kurz vor dem Zerfall. Mehrere Machtgruppen hetzen ihre Milizen aufeinander, darunter sind auch Verbände, die einer extremen Auslegung des Islam anhängen. Der Ex-Militär Chalifa Haftar versucht, eine Koalition gegen diese Radikalen zu schmieden.

Libyens Nachbarn betrachten die zunehmende Instabilität mit Sorge. Vor allem die Regierungen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate sind nervös - stellen die Extremisten doch in der gesamten Golfregion die Herrschaft arabischer Autokraten infrage.

Katar dagegen sucht mit den Islamisten den Schulterschluss: In Doha hat sich eine salafistische Szene unter dem radikalen Islamgelehrten Jussuf al-Karadawi gebildet. Der Geistliche darf seine Botschaften über den staatlichen Fernsehsender Al Jazeera in der Region verbreiten.

Die UAE setzen auf einen moderaten sunnitischen Islam, der sich aus der Politik heraushält. Im Juli wurde ein "Muslimischer Ältestenrat" in Abu Dhabi gegründet unter dem Vorsitz des Großimams der ägyptischen Al-Azhar-Moschee, einem der wichtigsten sunnitischen Islamgelehrten. Aufgabe des neuen Rates soll es sein, Extremismus und Salafismus entgegenzuwirken.

Die Rivalität der Emire durchzieht die ganze Region

Längst kommen sich der Emir von Katar und der Emir von Abu Dhabi nicht nur in Libyen in die Quere. Ihr Streit durchzieht die ganze Region. Saudi-Arabien hält es meistens mit den UAE.

  • Ägypten: In Kairo unterstützen die UAE zusammen mit Saudi-Arabien die neue Militärregierung mit Milliardenkrediten. Im Gegenzug erhoffen sie sich, dass das Militär wieder für Stabilität sorgt, ihre Investitionen im Land sichert und auch bei neuen Wirtschaftsprojekten saudische und emiratische Unternehmen bevorzugt. Katar dagegen hatte zusammen mit der Türkei auf die ägyptische Muslimbruderschaft gesetzt, die nur knapp ein Jahr regierte. Die neuen Machthaber in Kairo sind auf Katar und die Türkei schlecht zu sprechen.

  • Syrien: Katar unterhält gute Beziehungen zur Nusra-Front, die als syrischer Ableger von al-Qaida gilt. Vor Kurzem konnte das Emirat so die Freilassung einer amerikanischen Geisel erwirken. Auch die UAE und Saudi-Arabien setzen auf Syriens Opposition - allerdings auf andere, gemäßigte Anführer und Gruppen. Die Rivalität der Golfstaten in Syrien trägt zur Spaltung der syrischen Opposition bei. Ihr politischer Arm, der syrische Übergangsrat, wurde dadurch politisch lahmgelegt.

  • Irak: Katarische, emiratische und saudi-arabische Beamte beschuldigen sich gegenseitig, den Aufstieg der radikalen Miliz "Islamischer Staat" befördert zu haben.

  • Gaza: Auch in den Krieg zwischen Israel und den radikalen Gruppen im Gaza-Streifen mischen sich die Golfstaaten ein: Katar unterhält gute Beziehungen zur Hamas. Hamas-Chef Chalid Maschal lebt in Katar und soll von dort aus die Waffenstillstandsverhandlungen torpediert haben. Saudi-Arabien und die UAE sehen die Hamas als einen Verbündeten der verhassten ägyptischen Muslimbruderschaft. Daher wurde aus den drei Ländern kaum Kritik an den israelischen Bombardierungen des Gaza-Streifens laut.

Saudi-Arabien, der wichtigste arabische Golfstaat, hatte im Frühjahr versucht, ein Machtwort zu sprechen und Katar in seine Schranken zu verweisen, doch bisher ohne Erfolg. Es kam zum offenen Bruch, als Saudi-Arabien, die UAE und Bahrain ihre Botschafter aus Katar abzogen. Anstatt aufeinander zuzugehen, scheinen es die arabischen Golfstaaten weiterhin auf eine Kraftprobe ankommen zulassen.

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