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Auslandsstimmen zum TV-Duell "Mehr Stefan Raab hätte euch Deutschen gutgetan"

Angela Merkel gegen Peer Steinbrück, das nennen die Deutschen ein Duell? Die Korrespondenten großer ausländischer Medien in Berlin sind größtenteils enttäuscht über den Schlagabtausch im TV. Eine Kurz-Umfrage.
TV-Duell Moderatoren Will, Raab: "Ach, war das langweilig!"

TV-Duell Moderatoren Will, Raab: "Ach, war das langweilig!"

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

"Hürriyet", Türkei - Murat Tosun

Ach, war das langweilig! Weder Steinbrück noch Merkel haben gewonnen, die waren ja fast immer einer Meinung. Ich habe mehr Spannung erwartet, in türkischen Rededuellen ist viel mehr Emotion. Ich schätze die deutsche Präzision ja sehr, aber da hat schon etwas Feuer gefehlt. Mehrere Stefan Raabs hätten euch Deutschen in dem Duell sicher gutgetan.

"The Times", Großbritannien - David Charter

Ich fand es ein komisches Duell - weil es kein Duell war. Mehr ein parallel stattfindendes Interview. Das liegt am Format: Ich verstehe nicht, warum die Deutschen das Duell so stark reglementieren. In Großbritannien haben wir echte Debatten. Da streiten die Politiker sich. Zwischen Steinbrück und Merkel war das viel zu ruhig, fast langweilig. Das lag auch an den Fragen, die ziemlich oberflächlich waren. Deshalb erschienen mir beide Kandidaten sehr durchschnittlich. Einen echten Gewinner habe ich nicht gesehen.

"The Economist", Großbritannien - Andreas Kluth

Steinbrück hat den Game-Changer, den großen Startschuss für die Aufholjagd, verpasst. Er hatte leichte Vorteile, aber das reicht nicht. Mich hat überrascht, dass Merkel und Steinbrück über die großen Themen, für die Deutschland im Ausland steht, fast gar nicht gesprochen haben. Außerhalb Deutschlands diskutieren wir intensiv über dessen neue Rolle in Europa. Auch die Energiewende ist ein großes Thema bei uns. Sie ist sehr radikal, könnte Deutschland stark beschädigen. Im Duell kam sie trotzdem nur kurz vor. Dafür standen Themen im Vordergrund, die im Ausland als nebensächlich angesehen werden. Etwa das Betreuungsgeld. Im Ausland fragen sich viele: Warum diskutieren die Deutschen jetzt über so etwas? Mitten in der Krise? Die Meinung ist: Denen geht es doch gut, die sollten lieber nicht so viel verändern.

"La Repubblica", Italien - Andrea Tarquini

Fast unglaublich, aber Steinbrück hat tatsächlich gelächelt in diesem Duell! Das ist mir gleich zu Beginn aufgefallen. Ich finde, die Bundeskanzlerin hat das Duell knapp gewonnen, mit ihrer ruhigen Kraft. Aber Steinbrück hat zum ersten Mal einen guten Eindruck auf mich gemacht. Ich kannte ihn nur als seriösen Finanzminister, jetzt war er plötzlich auch Kommunikator. Das Duell hat generell gezeigt, dass die Deutschen eine gute Auswahl haben mit Merkel und Steinbrück - gerade im Vergleich zu den Kandidaten in Italien oder Frankreich. Deutschland ist wie eine alte Luxus-Limousine. Es gibt ein paar Defekte, aber ein Fiat oder ein Renault schafft es trotzdem nie auf das gleiche Niveau.

"Berlingske", Dänemark - Jesper Thobo-Carlsen

Steinbrück war offensiver und hat einige Male gegen Merkel gepunktet - bei der Pkw-Maut und dem Mindestlohn. In Deutschland müssen Politiker immer sehr vorsichtig sein, sie dürfen nicht zu aggressiv wirken. Das hat Steinbrück gut gemacht: Er hat Merkel angegriffen, ohne zu überziehen. Ich finde die Aufmachung des Duells in Deutschland übrigens sehr gelungen. Die vier Moderatoren haben die Themen gut unter sich aufgeteilt, Raab hat Schwung reingebracht. Gut ist auch, dass es nur ein Duell gibt. Dadurch hat es einen echten Event-Charakter. Ganz Deutschland redet über diesen Schlagabtausch.

"Libération", Frankreich - Nathalie Versieux

Das Duell war ziemlich ausgeglichen, aber Steinbrück hat mir insgesamt besser gefallen. Erstens finde ich, dass es inzwischen reicht mit Merkel in Deutschland. In diesem Land bewegt sich nichts mehr. Es braucht neue Ideen, neue Impulse. Und zweitens war Steinbrück inhaltlich interessanter. Er hat die sozialen Aspekte des Wahlkampfs viel besser erklärt. Außerdem gefallen mir seine Positionen. Dass es in Deutschland immer noch keinen Mindestlohn gibt, ist für eine Französin ziemlich verrückt.

"El País", S panien - Juan Gomez

Steinbrück war am Ende stärker, aber ihm hat der K.o.-Schlag gefehlt. Das ist aber auch schwierig bei Merkel, die steckt jeden Angriff mit einem Lächeln weg. Auf die Unentschlossenen in Deutschland konnte Steinbrück wohl einen guten Eindruck machen. Das wird viele Spanier freuen. Die deutsche Wahl wird in Spanien sehr aufmerksam beobachtet - und Merkel hat wenig Sympathien. Viele machen sie für die fehlgeschlagene Krisenpolitik verantwortlich. Um das Ausmaß der Krise zu sehen, muss man nur nach Spanien fahren und die ganzen arbeitslosen Jugendlichen sehen. Über einen Wechsel in Berlin würden sich deshalb viele Spanier freuen. Sie sagen: "Die Deutschen gehen für uns alle wählen." Das soll heißen, dass die Wahl Auswirkungen auf ganz Europa hat.