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Wahlkampf Steinbrück in der Duz-Falle

Foto: Jung & Naiv

Was passiert, wenn der SPD-Kanzlerkandidat mal so richtig locker sein will? Für eine Jugendreihe schwatzte Peer Steinbrück über Banken, Koalitionen und seine "Traumpartnerin" Angela Merkel - und brach mit einem persönlichen Tabu.

Nein, Peer Steinbrück will seinen Gesprächspartner nicht duzen. Darauf hatte der SPD-Kanzlerkandidat im Vorfeld extra hingewiesen. So erzählt es jedenfalls Blogger Tilo Jung. Der 27-Jährige fragt für seine Reihe "Jung und Naiv - Politik für Desinteressierte"  regelmäßig Minister, Abgeordnete, Parteichefs und Experten aus.

Die Clips, oft nicht länger als 15 Minuten, landen dann auf YouTube, mittlerweile mit nettem Erfolg. 10.000-mal wurde ein Gespräch mit Linken-Frontfrau Sahra Wagenknecht  angeklickt. Das Geld für die technische Ausrüstung sammelte Jung per Crowdfunding , mittlerweile lässt er sich auch von Google sponsern.

Nun war also Steinbrück dran. "Warst du das nicht vor fünf Jahren…?", setzt Jung an und will auf das Thema Finanzkrise lenken. "Jetzt haben Sie mich wiedererkannt!", entgegnet Steinbrück. Und fragt Jung kurz darauf: "Haben Sie ein gutes Sparkonto?" Der lässt sich nicht beirren: "Erzähl doch mal, wie wird man eigentlich Kanzlerkandidat?"

Ob das Format nun "den Journalismus revolutioniert" , wie der "Tagesspiegel" findet, oder einfach nur "sehr, sehr schlicht ist" , wie die "Süddeutsche Zeitung" feststellt, sei dahingestellt - unterhaltsam ist die Steinbrück-Sendung allemal. Der Kandidat erklärt geduldig Kompliziertes und liefert ein paar launige Sätze. Zum Beispiel diese hier:

  • Über seinen früheren Job als Finanzminister: "Die Leute haben den Eindruck, ich könnte mit Geld umgehen."

  • Über die große Koalition mit Angela Merkel: "Wir waren das Traumpaar 2008. So ähnlich wie beim Eiskunstlauf."

  • Über seinen früheren Landtagswahlkreis: "Die meisten kennen ihn. Da ist das Kamener Kreuz. Da ist häufig Stau."

Natürlich soll die Sendung, die am Montag zusätzlich über den Spartenkanal Joiz  ausgestrahlt wurde, trotzdem beiden Männern nützen.

Peer Steinbrück will junge Leute ansprechen, eine Zielgruppe, bei der er bislang weitgehend durchfällt . Dafür nimmt er in Kauf, auf einer Gitterbank sitzend einem Teilzeitmodel die Probleme der Euro-Zone zu erklären. Schließlich hat Steinbrück auch die blöden Fragen der "Bild am Sonntag"-Leser überlebt ("Wird Deutschland nächstes Jahr Fußball-Weltmeister?"), und diese Sendung bei RTL , über die am nächsten Tag alle lästerten.

Und Tilo Jung, der auf Twitter gern gegen den Journalismus an sich pöbelt  und vor seinem Anarcho-Polittalk eine Reihe namens "Penisdialoge"  bespielte, kann nach Gästen wie Regierungssprecher Steffen Seibert  oder eben Steinbrück sagen, dass man ihn halbwegs ernst nimmt. Das ist bei Nachfragen im Stil von "Ach, echt?" mitunter gar nicht so leicht.

Es dauert übrigens nur fünf Minuten, bis sich Steinbrück dem Duz-Diktat dann doch noch beugt. "Du hast völlig recht, auf diese Kredite kriegen wir Zinsen" sagt er, und lässt sich gar zu einem kumpelhaften "Du sachst es" hinreißen. Im Wahlkampf zählen wohl selbst persönliche Prinzipien nicht mehr viel.

Wer das Interview ganz sehen will, kann das hier  tun.

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