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Biedermanns letztes Einzelrennen "Dann muss ich jetzt damit zufrieden sein"

Paul Biedermann wollte "einen schönen Abschluss nach 18 Jahren Leistungssport". Es wurde Platz sechs auf seiner Paradestrecke. Zum Abschluss seiner Karriere machte der Schwimmer gute Miene zum bösen Ende.
Paul Biedermann beendet seine Karriere

Paul Biedermann beendet seine Karriere

Foto: MICHAEL DALDER/ REUTERS

Zehn Minuten - so lange, sagte Paul Biedermann, werde er brauchen, um sich mit den Ereignissen des Abends anzufreunden. Zehn Minuten, um aus einem enttäuschenden sechsten Rang über 200 Meter Freistil irgendwie einen versöhnlichen Abschluss seiner Karriere zu konstruieren. Wenn man jedoch um die Eckpfeiler dieser Karriere weiß, um seine größten Triumphe und seine empfindlichsten Niederlagen, dann ist es schwer vorstellbar, dass es nur zehn Minuten dauern würde, bis Paul Biedermann dieses letzte große Einzelrennen seiner Karriere unter der Rubrik "zufriedenstellend" ablegen kann.

Rückblick: Biedermanns Reise nach Rio de Janeiro hatte bereits vor drei Jahren begonnen. Damals fragte er sich zum wiederholten Male: Wozu das alles noch? Doch Deutschlands Vorzeigeschwimmer hatte sich in jenem Sommer nach krankheitsbedingter Saisonabsage schnell entschieden: "So soll es dann auch nicht enden."

Enden sollte es stattdessen mit einem positiven Olympia-Erlebnis: "Die Spiele sollen mein Abschiedswerk werden", sagte Biedermann, der just am Sonntag 30 Jahre alt geworden war, noch wenige Tage vor Beginn der Wettkämpfe. Und er sagte auch: "Klar ist eine Medaille ein Traum, aber davon hängt mein Seelenheil nicht mehr ab. Ich möchte einfach nur einen schönen Abschluss für mich nach 18 Jahren Leistungssport." Sechster über seine Lieblingsstrecke, dazu langsamer als in den Rennen zuvor - das hatte er damit sicher nicht gemeint.

Am Ende fehlt Biedermann die Kraft

Tatsächlich hätte es durchaus eine Medaille werden können, räumte auch Biedermanns Trainer Frank Embacher nach einem Blick auf die Ergebnisse ein. "Paul musste schon in Vorlauf und Halbfinale voll gehen, sonst hätten wir uns verpokert", sagte Embacher. "Da fehlte im dritten Rennen halt die berühmte Schippe, die man noch hätte drauflegen müssen."

Paul Biedermann verpasste eine Medaille deutlich

Paul Biedermann verpasste eine Medaille deutlich

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Nun werden Biedermanns wichtigste Rennen jene Rennen bleiben, in denen er vor sieben Jahren seine mit Abstand größten Erfolge gefeiert hatte. Es war 2009 bei der WM in Rom, als Biedermann auf dem Höhepunkt der mittlerweile verbotenen Hightech-Anzüge mit Doppel-Gold und Weltrekorden über 400 und 200 Meter Freistil überraschte. Doch statt Respekt erntete er für dieses WM-Wunder nur Misstrauen, habe er seinen Erfolg doch einzig seinem Anzug zu verdanken, unkte nicht zuletzt der bis dato auf den 200 Metern ungeschlagene US-Superstar Michael Phelps.

Es dauerte zwei Jahre, bis Biedermann den Anzug abstreifen, bis er der Konkurrenz und nicht zuletzt auch sich selbst mit doppeltem WM-Bronze beweisen konnte, dass er auch in Badehose schnell schwimmen kann. Als einer der Besten der Welt reiste er ein Jahr später nach London. Olympia 2012 - das sollten seine Spiele werden. Doch es kam bekanntlich anders. Der fünfte Platz über seine Lieblingsstrecke war international nur eine Randnotiz. Und ein Tiefschlag, von dem Biedermann sich nur mühsam erholte.

Biedermann wird entspannter und gelassener

Tatsächlich hatte sich Biedermann nach reiflicher Überlegung und einer wohltuenden Zeit "außerhalb der Schwimmblase" entschieden, nach vorne zu schauen, noch einmal durchzustarten - nur um einige Wochen nach dem Neustart die WM-Saison 2013 krankheitsbedingt frühzeitig für beendet zu erklären. Wieder musste er sich mental aufrappeln, was ihm gelang. Nach einem zweiten Rang bei der EM 2014 in Berlin und einem respektablen dritten Platz bei der WM im russischen Kasan 2015 startete er in Rio seine Abschiedstour, entspannter und gelassener, als er sich viele Jahre präsentiert hatte.

Nach seinem letzten Einzelfinale über seine Lieblingsstrecke hatte er sich die passenden Aussagen für die Presse bereits zurechtgelegt. "Schade" sei es. "Ich habe alles gegeben, es war das, was ich zu leisten im Stande war." Dass er sich nicht noch einmal steigern konnte, sei "natürlich ärgerlich. Aber hey, wenn ich es nicht schwimme, kann ich mich auch nicht drüber ärgern." Und er sagte: "Als ich angeschlagen habe, wusste ich: Das war das Maximum. Und ich habe mir gesagt: Dann muss ich jetzt damit zufrieden sein."

Ob ihm das wirklich gelungen ist, wird die heutige Staffel über 4 x 200 Meter Freistil zeigen.

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