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Uni-Loser Dachsel: Hilf mir, Uni-Abbrecher

Foto: Johannes Dachsel

Uni-Loser trifft Studienabbrecher "Die Uni hat mir beigebracht, Menschen zu demotivieren"

Gibt es ein Leben ohne Langeweile? Nach sechs Wochen Studium lässt sich Uni-Loser Felix Dachsel vom erfolgreichsten Studienabbrecher beraten, den er kennt - von seinem Freund und Poetry-Slammer Nico Semsrott.

Ich habe mich immer dagegen gewehrt, Vorbilder zu haben. Aber wenn ich ein Vorbild habe, dann ist das mein Freund Nico. Nico Semsrott ist der erfolgreichste Loser, den ich kenne. Nach dem Abitur erklagte er sich einen Studienplatz an der Uni Hamburg: Soziologie und Geschichte auf Bachelor. Nach sechs Wochen entschied er sich dann, sein Studium zu schmeißen. Inzwischen ist Nico gefragter Kabarettist, renommierter Demotivationstrainer , CEO eines weltweiten Unglückskeks-Imperiums und ein leuchtendes Beispiel dafür, dass es in manchen Situationen nur eine Lösung gibt: aufhören, abbrechen, weitersuchen.

Bei meinem dritten Studienversuch ist Nico so etwas wie mein Abbruchberater. Nach sechs Wochen an der Uni Leipzig habe ich mich mit ihm per E-Mail über das Leben und die Unumgänglichkeit der Langweile unterhalten.

Nico, du hast ja nur sechs Wochen studiert. Trotzdem: Gab es irgendeinen schönen Moment an der Uni?

Ich kann mich nicht an schöne Momente erinnern. Da müsste ich raten: vielleicht der Moment, in dem ich in den Bus nach Hause einstieg.

Nichts gelernt?

Doch. Methodisch habe ich immerhin meine Kenntnisse als Demotivationstrainer ausgebaut. Ich hatte zahlreiche Vorbilder, von denen ich lernen konnte. Der Soziologie-Professor begrüßte uns mit den Worten, wir würden uns in den nächsten Jahren gemeinsam auf die Arbeitslosigkeit vorbereiten. In der allgemeinen Erstsemestereröffnung im Audimax wurde "Always look on the bright side" gespielt. Ich empfand das als zynisch: "Life's a piece of shit, when you look at it." Was bewegt dich eigentlich eher zum Aufgeben: Langeweile oder Autoritäten?

Man ist doch an der Uni, als einfacher Student, viel weniger von Autoritäten abhängig als im Berufsleben. In dieser Hinsicht ist die Uni ein guter Schutzraum. Und das mit der Langeweile ist vielschichtig. Es gibt wahrscheinlich kein Studium ohne Langeweile. Gibt es denn überhaupt ein Leben ohne Langeweile?

Vermutlich nicht. Aber es gibt da einen Unterschied. Im Beruf und Studium bin ich der Langeweile und Sinnlosigkeit hilflos ausgeliefert. Das ist schrecklich. Im Privaten kann ich immerhin noch fliehen und einfach weggehen, wenn es zu langweilig wird. Für mich ist also die Kombination aus Autorität und Langeweile am schlimmsten: die von außen aufgenötigte Langeweile. Aber wenn weder Autoritäten noch Langeweile für dich schlimm waren, was war für dich bisher das Motiv zum Abbrechen?

Ungeduld. Das - irgendwo anders - lauernde Leben. Die Unfähigkeit, Ablenkungen widerstehen zu können - und das in Zeiten der Multioption. Es ist wie im kleinen: Wenn ich eine Hausarbeit schreibe, dann bin ich konfrontiert mit dem gesamten Instrumentarium der Ablenkung - SPIEGEL ONLINE, E-Mails checken, Freunde anrufen, aus dem Fenster gucken, Feiern gehen. Im Großen bedeutet das: Wenn ich studiere, dann bin ich zum Beispiel abgelenkt von der Möglichkeit zu reisen, unterwegs zu sein. Die Welt ist ja recht groß, und fast alles ist sehenswert. Meine Erfahrung ist übrigens, dass Langweile gut sein kann. Als Ausgangspunkt für kreatives Schaffen, für neue Gedanken. Langeweile ist sogar wichtig. Sie ist wie eine weiße Leinwand. Bist du eigentlich glücklich?

Das letzte Mal glücklich war ich wohl Anfang der neunziger Jahre. Da war ich drei. Natürlich ist das nur eine Vermutung, denn ich kann mich nicht daran erinnern. Kurz danach habe ich angefangen, die Welt bewusst wahrzunehmen, und seitdem kann ich mich nicht an einen glücklichen Moment erinnern. Es gibt in Deutschland nur vier Millionen Depressive. Mein Ziel ist es, diese Zahl zu verdoppeln. Momentan bin ich übrigens als Demotivationstrainer mit meinem als Kabarettprogramm getarnten Workshop "Freude ist nur ein Mangel an Information" unterwegs. Im November. Im Ruhrgebiet. Die Frage nach dem Glück stellt sich also gar nicht.

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Foto: Wolfgang Kumm/ picture alliance / dpa