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Organspenden-Reform Vorwürfe gegen Stiftung überschatten Konsens

Bei Beratungen im Bundestag zum Transplantationsgesetz gab es viel Emotionen -  und Kritik. Die Grünen sehen den Datenschutz in Gefahr, die Deutsche Stiftung Organtransplantation mahnt Fehlplanungen an.  Dabei sieht sich die DSO selbst mit Vorwürfen der Geldverschwendung konfrontiert.
Organspenden: "Eine Frage der Mitmenschlichkeit"

Organspenden: "Eine Frage der Mitmenschlichkeit"

Foto: Frank May/ picture-alliance/ dpa

Berlin - Die Debatte sei außergewöhnlich emotional gewesen, berichten Beobachter. Am Donnerstag hat der Bundestag die Reform der Organspende auf den Weg gebracht. Ab Sommer sollen alle Deutschen erklären, ob sie ihre Organe nach dem Tod spenden möchten oder nicht. Alle fünf Fraktionen hatten sich Anfang des Monats nach jahrelangem Ringen auf diese Entscheidungslösung geeinigt.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die in Deutschland alle Schritte im komplizierten Prozess der Organspende organisiert, übte Kritik an den geplanten Neuregelungen. Zeitgleich wurde bekannt, dass man der Organisation selbst Geldverschwendung und Fehlplanung vorwirft.

In der morgendlichen Lesung im Bundestag bekräftigen derweil alle Parteien ihren Wunsch nach der Neuregelung des Transplantationsgesetzes. "Heute können wir miteinander zeigen, dass Politik Verantwortung ernst nimmt für Menschen, die Hilfe dringend bedürfen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zu dem von allen Fraktionen mitgetragenen Antrag. "Die Organspende ist eine Frage der Mitmenschlichkeit." Er verwies darauf, dass in dem Gesetzentwurf bewusst darauf verzichtet worden sei, Anreize zugunsten der Spendenbereitschaft zu schaffen, etwa in Form von Bonuszahlungen oder Beitragssenkungen der Krankenkassen. "Die Organspende soll eine Spende bleiben." Es dürfe dabei keine Kommerzialisierung geben, sagte Steinmeier, der selbst seiner Frau eine Niere gespendet hat.

Transplantationsbeauftragte verzweifelt gesucht

Das zusätzliche Gesetz bringe wichtige Ergänzungen, ist sich auch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sicher. "Jedes Krankenhaus wird verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten einzusetzen." Im Arbeitsalltag der Ärzte und Klinikverwaltungen muss das Thema stärker im Bewusstsein verankert werden. "Die Kombination aus Entscheidungslösung und den Beauftragten in den Kliniken wird es ermöglichen, dass sich in Deutschland die Spendezahlen deutlich erhöhen."

Genau hier sieht Günter Kirste, Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die größten Probleme, schließlich müssten die Kliniken eine mit dem neuen Gesetz möglicherweise steigende Spendenbereitschaft in der Bevölkerung aufnehmen und umsetzen. Auch mit der Änderung des Transplantationsgesetzes fehlten weiterhin "klare Vorgaben", sagte Kirste der "Ärzte Zeitung".

Wer etwa wird die Transplantationsbeauftragten ausbilden? Was genau sollen diese organisieren? Benötigt würden rund 12.000 Intensivmediziner, schätzt Kirste. Es gebe aber keine Regeln für deren Freistellung und Bezahlung. Hier seien die Länder und die Ärztekammern gefragt.

Kritisch beurteilt Kirste auch die zur Aufklärung geplanten Informationsbroschüren. "Es ist zu befürchten, dass diese im Papierkorb landen", sagte Kirste gegenüber der "Ärzte Zeitung".

Schwere Vorwürfe in anonymen Schreiben

Währenddessen ist der Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) selbst in die Kritik geraten: Dieser verhindere die Veröffentlichung eines Gutachtens, in dem Vorwürfe gegen die DSO-Spitze untersucht wurden. Das bestätigte das Bundesgesundheitsministerium der "Frankfurter Rundschau". Zutreffend sei, dass der Stiftungsrat dem Ministerium ein Exemplar hat zukommen lassen; eine Weitergabe an Dritte habe er aber ausgeschlossen.

Ende 2011 war ein anonymes Schreiben aufgetaucht, in dem der DSO-Spitze Geldverschwendung, Fehlplanung und eine Demotivierung der Mitarbeiter vorgeworfen wurde. Der Stiftungsrat, der sich mit dem Vorwurf konfrontiert sah, selbst zu einem Rückgang der Spendenbereitschaft in Deutschland verantwortlich zu sein, habe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG mit einer Untersuchung beauftragt, schreibt die Zeitung.

Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bestätigt die DSO, dass die Prüfung einer Vielzahl von Vorwürfen gegen den Vorstand der DSO insgesamt, insbesondere aber gegen den kaufmännischen Vorstand, kein Fehlverhalten erkennen ließ. "Die Vorwürfe aus der anonymen E-Mail vom 7. Oktober 2011 haben sich demnach als haltlos erwiesen."

Die Grünen kritisierten das Verhalten des DSO-Stiftungsrats scharf: "Ich fordere die Bundesregierung und die DSO auf, den Bericht der Wirtschaftsprüfer zu veröffentlichen", sagte Grünen-Gesundheitsexperte Harald Terpe. Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, lädt den DSO-Vorstand zur nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses ein. "Wir wollen größtmögliche Transparenz und Offenheit bei dem Umgang mit den Vorwürfen. Daher laden wir die DSO zeitnah zum Gespräch. Organspende ist ein sensibles Thema, da darf keine Frage offen bleiben."

Grüne sehen Datenschutz-Problem

Auch politisch ging das Ringen im Bundestag um die beste Lösung bei der geplanten Organspendereform weiter. Die Grünen-Fachpolitikerin Elisabeth Scharfenberg kündigte einen Änderungsantrag an. Verzichten sollte man auf die geplante Regel, nach der die Krankenkassen die Entscheidung auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern oder löschen können. Dies soll mit Zustimmung der Versicherten geschehen können, wenn die Karte in rund fünf Jahren diese Daten technisch aufnehmen kann.

Scharfenberg kritisierte, es verletzte den Datenschutz, wenn die Kassen die sensiblen Daten dort aufbringen könnten. Der Änderungsantrag sei genauso wie der Gesetzentwurf ein Gruppenantrag über Fraktionsgrenzen hinweg. Die Reform wolle sie nicht in Frage stellen. "Das Ziel unseres Änderungsantrags ist es, den Gesetzentwurf zu verbessern", sagte Scharfenberg.

nik/dpa/dpad

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