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Meinung Fussball-Bundesliga

Was wären wir ohne den FC Bayern München?

Textchef ICON / Welt am Sonntag
Hauptversammlung FC Bayern Muenchen Hauptversammlung FC Bayern Muenchen
Bayern-Präsident Uli Hoeneß (l.) und sein Vorgänger Franz Beckenbauer
Quelle: ddp/DDP
Das muss der Neid dem FC Bayern lassen: Er ist mit uneinholbarem Vorsprung Deutschlands größter Fußballklub. Das hat er vor allem einer Person zu verdanken.

Es geschah an der Ostküste der Vereinigten Staaten, in Elizabeth, einem Kaff in North Carolina. Die beiden Deutschen hatten viele Meilen hinter sich und waren froh, es gegen Mitternacht in diesen Schuppen geschafft zu haben. Auf dem Hotelflur trafen sie auf fünf Schwarze, eine Funk-Combo nach ihrem Gig, man kam ins Gespräch. Was die Band denn über ihre Heimat wisse, fragten die Deutschen, die Antwort war kurz. VW, Mercedes, die Gruppe Kraftwerk, deutsche Technik – "It's huge, man!" – und dann war da noch irgend so ein FC Bayern, der dieses merkwürdige Soccer spielte . "Du liebe Güte", sagte einer der Deutschen in seiner Heimatsprache, "ausgerechnet die blöden Bayern." Also, eigentlich sagte er etwas ganz anderes, das kann man nur nicht hier schreiben. Die Band blickte angesichts der heftigen Reaktion etwas bedröppelt aus der Wäsche.

Sollte Ulrich Hoeneß, der Präsident und langjährige Manager des FC Bayern München, diese Zeilen lesen, wird er vielleicht wütend. Wütend darüber, dass es einem seiner Landsleute eingefallen war, den Namen seines Vereins in den Dreck zu ziehen, dass er nicht zu einem spontanen Monolog über die Größe dieses Klubs im Allgemeinen und seines Präsidenten im Besonderen anhob, auf dass auch amerikanische Funkateers endlich von der tollsten Fußballtruppe der Welt erführen. Hoeneß kann höchst ungemütlich werden, wenn er wütend ist, und das ist er nicht selten.

Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit, nicht Hass

Er sollte sich freuen. Es heißt, das Gegenteil von Liebe sei nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Hoeneß aber ist es unzweifelhaft gelungen, in den vergangenen Jahrzehnten eine Marke zu kreieren, die man noch im hintersten Winkel des Planeten kennt, und die keinem Menschen gleichgültig sein kann, der sich für Fußball interessiert. So weit hat es kein Konkurrent gebracht; sei es Schalke, Bremen oder Borussia Dortmund – über den Hamburger SV wollen wir gnädig schweigen.

Der Fanatismus regiert auf beiden Seiten. Herausforderer wie Werder Bremen haben versucht, die Bayern zum sportlichen Weltbösewicht zu stilisieren, zu einem Verein, in dem der brutalstmögliche Kapitalismus und Sozialdarwinismus über kurz oder lang noch jeden Spieler wenn nicht fußballerisch, so doch charakterlich kaputt gemacht hat. Richtig ist, dass es beim FC Bayern seit Jahrzehnten zum Geschäftsmodell gehört, innerhalb der Bundesliga anderen Vereinen die besten Spieler wegzukaufen, um die eigene Macht zu festigen. Es hat funktioniert, 17 deutsche Meisterschaften in der Ära Hoeneß sprechen für sich, auch wenn das Geschäftsmodell nicht für jeden neuen Spieler bekömmlich war. Star bei Werder Bremen zu sein, das heißt nicht, beim FC Bayern zur ersten Elf zu gehören.

Heute erheitert die Abwehr mit ungewolltem Slapstick

Eine geradezu rührende Glückseligkeit überfiel die Bayern-Hasser, wenn sie miterleben konnten, wie sich das Prinzip, die Bundesliga zu schwächen, in europäischen Wettbewerben gegen den Klub richtete. Man konnte die Mächtigen – es gibt beim Verein neben Ulrich Hoeneß ja noch andere einflussreiche Ex-Spielerpersönlichkeiten wie Karl-Heinz Rummenigge oder Franz Beckenbauer – bei der Fehleinschätzung beobachten, die Bundesliga allein biete genügend qualifizierte Akteure, um in Europa höchsten Ansprüchen zu genügen. Was schon seit Jahren nicht mehr kontinuierlich gelingt.

Doch muss jeder zugeben, dass die Bayern einem diese Freude inzwischen madig machen. Einmal, indem sie internationale Größen wie Ribery, Toni und Robben verpflichteten. Noch dazu schicken sie mit Schweinsteiger, Badstuber, Lahm und Kroos Spieler aus der eigenen Jugend auf den Platz – und deshalb herrscht auf dem Platz seit einiger Zeit auch kein nüchterner Ergebnisfußball mehr. Wo früher die Doktrin eines coolen 2:1 allumfassend war, erheiterte die Abwehr, einst ein Monolith mit einem brüllenden Titan dahinter, das gegnerische Publikum ungewollt mit Slapstick-Tölpeleien, die Offensive zeigte dagegen spektakuläre Angriffszüge.

Da bleibt den Feinden des Vereins nur die Freude, dass es dem Branchenführer seit Ottmar Hitzfeld ums Verrecken nicht gelingen will, einen passenden Übungsleiter zu verpflichten. Ob Felix Magath, noch mal kurz Hitzfeld, Jürgen Klinsmann oder zuletzt der sympathische Niederländer Louis van Gaal – man sagt wohl nicht zu viel, wenn man behauptet, dass sie alle an den Egos der Trias Hoeneß, Rummenigge, Beckenbauer zerschellten.

Nun versucht der Klub es erneut mit Josef Heynckes, einem 66-Jährigen, der die Bayern schon zu zwei Meistertiteln führte, 1998 bei Real Madrid trotz des Gewinns der Champions League rausflog, Frankfurt, Schalke und Mönchengladbach nicht guttat, Leverkusen dafür schon – und der den unübertrefflichen Vorteil besitzt, sich 1992 von den Bayern nach einer sportliche Flaute in bestem Einvernehmen zu trennen. Angeblich spielte er am fraglichen Abend mit Hoeneß sogar noch "Schafskopf". Eine Nummer, das muss der Neid den Bayern lassen, die auch ein Patriarch wie Don Corleone schwerlich besser hingekriegt hätte.

Sozialdarwinismus? Was soll der Schmarrn?

Und überhaupt – Sozialdarwinismus, was soll der Schmarrn? Genauso gut, wie Hoeneß wütend werden kann, ist er in der Lage, sich an seiner eigenen Ergriffenheit bis zur Neige zu weiden, er kann stundenlang darüber sprechen, wie sehr es beim FC Bayern um den Menschen geht und wie sozial der Verein sich doch seinen Angestellten gegenüber verhalte. Tickt ein Jungstar aus, nächtigt er nach einem Anpfiff bei Hoeneß. Der Präsident schraubt notfalls die Stollen selbst auf, und er besucht jeden Verletzten im Krankenhaus. Dumm für die Gegner des Vereins ist, dass fast alle Großen im Geschäft betonen, wie ungeheuer integer Hoeneß zu Werke geht, zumindest, solange man die Stimme nicht gegen den FC Bayern erhebt.

Was wir ohne die Bayern wären? "Glücklich", sagte neulich ein Fan von Borussia Dortmund, um dann kleinlaut zuzugeben, dass ihn Fußball ohne das Wohl und Wehe der Münchner gar nicht interessieren würde. Er wollte wohl sagen: Ohne den FC Bayern gäbe es ein großes, auch abseits vom Sport funktionierendes Schauspiel weniger. Jede Inszenierung braucht einen mächtigen Antagonisten, an dem kein Weg vorbeiführt. Hoffentlich wird Ulrich Hoeneß bald mal wieder ordentlich wütend.

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