Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Geld
  3. Trainingscenter: Gesundheit statt Muckis – Fitnessstudios boomen

Geld Trainingscenter

Gesundheit statt Muckis – Fitnessstudios boomen

Frau im Fitness-Studio Frau im Fitness-Studio
Immer mehr Deutsche gehen ins Fitnessstudio. Der Muskelaufbau ist dabei als Ziel oft nebensächlich
Quelle: picture alliance / Arco Images G/Arco Images GmbH/Chromorange
Die Zahl der Fitnessstudios steigt unaufhörlich, Trainer sind begehrte Fachkräfte. Nun gibt es sogar ein Studium für die Arbeit in der Boombranche.

In langen Reihen stehen schwere Geräte aus Stahl und schwarzem Kunstleder. Anatomische Schaubilder markieren die Stellen am Körper, an denen sie Wirkung zeigen sollen. Die indirekte Beleuchtung unterstreicht noch die Folterkeller-Assoziationen. „Wir haben gerade neue Energiesparlampen bekommen – die sind noch ein bisschen dunkel...“, sagt Brit Schabacker und lächelt entschuldigend. Unzulänglichkeiten sind ihr Geschäft.

Normalerweise allerdings die menschlichen. Bierbäuche, Sahnekonfekthüften, Computerarbeitsplatz-Wirbelsäulen. Und jetzt, wo das Jahr noch jung ist, kommen sie wieder alle aus ihren Polstergarnituren, unterschreiben bei einem der 6000 Fitnessstudios im Land und versuchen, ein besserer Mensch zu werden. „Zumindest ein gesünderer und kräftigerer“, schlägt Schabacker vor.

Die 22-jährige Studentin arbeitet seit drei Jahren in einer Filiale der Fitnesskette Kieser in Hamburg-Harburg. Das Studio ist für sie kein Nebenjob, um ihr Studium zu finanzieren – das hier ist ihr Studium. Brit Schabacker steht vor ihrem Abschluss zur Fitnessökonomin, sie schreibt gerade ihre Bachelor-Arbeit. Danach will sie vielleicht noch ihren Master machen, in Gesundheitsmanagement. Dann kann sie „Master of Arts“ auf ihre Visitenkarten drucken lassen.

Boom der Fitness-Ketten

Eigentlich haftet Mitarbeitern der Fitnessbranche ein eher unakademischer Ruf an, irgendwo zwischen Laufband-Gigolo und Milchshake-Kellner. Und das nicht erst, seit Hollywood-Star Brad Pitt im Kinostreifen „Burn after Reading“ einen grenzdebilen Workout-Trainer mit blondierten Strähnchen spielte. Doch das Klischee stimmt offenkundig nicht. Denn die Branche wächst und ist gleichzeitig im Umbruch.

Aufgrund des wachsenden Gesundheitsbewusstseins und der demografischen Entwicklung erleben Studios seit Jahren einen wahren Boom. 2005 waren gut vier Millionen Deutsche Mitglied eines Fitnessstudios – 2009 gingen nach Auskunft des Arbeitgeberverbandes DSSV bereits mehr als sieben Millionen zum Hopsen, Steppen oder Pumpen. Die Zahl der Studios ist im gleichen Zeitraum von 5500 auf mehr als 5900 gestiegen.

Vor allem Ketten und Franchiseunternehmen wie Kieser oder die Discountkette McFit mischten die Branche in den vergangenen Jahren kräftig auf. Und die brauchen neben einem Satz Geräten vor allem eines: Personal.

Fitnessökonomie – was ist denn das?

„Als ich meinen Freunden sagte, dass ich jetzt Fitnessökonomie studiere, fragten sie: Was ist denn das?“, erzählt Brit Schabacker. Wie sie schreiben sich mittlerweile rund 1000 junge Leute im Jahr an der Saarbrücker Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement ein, die vier Bachelor- und zwei Masterstudiengänge anbietet.

Die Gebühren für das duale Studium – rund 12.000 Euro – zahlt der Arbeitgeber in Form eines Darlehens. Die Theorie erfolgt im Fernstudium und in Seminarblöcken. Damit ähnelt das Fitnessstudium etwa der Ausbildung von Lufthansa-Piloten, wenn es auch nicht mit demselben Nimbus behaftet ist.

Es bedeutet drei Jahre Doppelbelastung und manche Nachtschicht über den Lehrbüchern, doch die Mühen, sagt Schabacker, lohnten sich definitiv: „Ich mache das ja nicht, um später als einfache Trainerin in irgendeinem Studio zu stehen. Die Gesundheitsbranche bietet viele Möglichkeiten, das hat auf jeden Fall Zukunft.“

Stumpfes Gewichte-Stemmen ist out

Anzeige

Tatsächlich scheinen die Tage des stumpfen Eisenstemmens passé, glaubt man dem Prorektor der Hochschule, Thomas Wessinghage. „Fitnesstraining hat sich in den letzten Jahren immer mehr von einer reinen Freizeitaktivität zur gezielten Prävention und Gesundheitsförderung weiterentwickelt“, sagt der Facharzt und Fitnessprofessor, der aus seiner Zeit als Leichtathlet unter anderem zwei deutsche Rekorde in Mittelstreckenlauf hält.

Den Kunden von Studios gehe es heute vielfach darum, Verspannungen und Rückenschmerzen zu lindern oder Risikofaktoren für Arthrose oder Diabetes zu reduzieren. Zudem werde in Zukunft das Thema betriebliches Gesundheitsmanagement immer wichtiger, da Unternehmen aufgrund der Alterung der Gesellschaft und des drohenden Fachkräftemangels verstärkt in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren müssen.

„Die Branche investiert seit Jahren ganz gezielt in die Qualifikation von Fachkräften, die diese Aufgaben übernehmen.“

Gesundheitsberatungen für Angestellte

Der Hamburger Alexander Schütt lebt mit seinen 26 Jahren auf zweierlei Weise vom wachsenden Fitnessbewusstsein der Deutschen. Als freiberuflicher Gesundheitsmanager berät er regelmäßig die Angestellten eines großen Handelskonzerns, wie sie sich durch Bewegung und richtige Ernährung fit halten können.

Nach Abschluss des Gesundheitsmanagement-Studiums machte er sich vor drei Jahren zudem als Personal Trainer selbstständig. Mittlerweile hilft er bereits 45 Kunden mehr oder weniger regelmäßig mit individuellen Trainings- und Ernährungsplänen auf die Sprünge. So fährt Schütt einmal die Woche zu einer 25-jährigen Doktorandin, die etwas für die Fitness und gegen ihre Rückenprobleme tun will, packt in ihrem Wohnzimmer Hanteln und Therabänder aus und arbeitet mit ihr.

Für andere Kunden mietet er einmal die Woche ein kleines Studio an der Alster an. „Menschen dabei zu helfen, ihre Gesundheit zu fördern, ist doch ein schöner Beruf“, sagt er. „Und ich kann eine dreiköpfige Familie davon ernähren.“

Vorsicht vor unseriösen Angeboten ist geboten

Den hehren Ansprüchen einer „Gesundheitsbranche“ werden die Studios in der Praxis allerdings nicht immer gerecht. Der steigende Wettbewerbsdruck führt mitunter zu wenig seriösem Geschäftsgebaren. Es gibt Studios, die Adresslisten ankaufen und von ihren Mitarbeitern abtelefonieren lassen, um Menschen Mitgliedschaften anzudrehen.

Anzeige

Auch das Geschäft mit angeblich leistungsfördernden Shakes und Lebensmittelergänzungsmitteln brummt. Nicht überall ist das Personal qualifiziert und adäquat bezahlt.

Und eine echte Gesundheitsberatung kann oft gar nicht geleistet werden – oder sie wird bewusst vermieden, wenn sie Kunden auch mit unangenehmen Wahrheiten konfrontieren würde. „Was da läuft, ist manchmal schon an der Grenze zur Gesundheitsgefährdung“, sagt eine Insiderin.

Durchschnittsalter Ende 40

Schlechte Erfahrungen in anderen Studios waren auch ein Grund, warum Maike Pröpping sich am Ende entschloss, lieber ein eigenes Studio aufzumachen. „Inhabergeführtes Studio, Franchise-Unternehmen, Kette – ich habe nach dem Studium alles probiert. Und merkte, dass ich für den Anspruch, der dort vorherrscht, maßlos überqualifiziert bin“, sagt die 27-jährige Fitnessökonomin.

Vor einem halben Jahr lieh sie sich 100.000 Euro von der Bank und eröffnete in Ritterhude bei Bremen ihr „Mediloft“: ein 670 Quadratmeter großes Studio über zwei Etagen mit Gerätebereich, Kursraum und Sauna. Im „Präventions-Park“ schwitzt ein halbes Dutzend Männer und Frauen deutlich jenseits der vierzig auf Steppern und Laufbändern, an der Theke tauscht ein Grüppchen Hausfrauen Dorfklatsch aus. Von aufdringlichen Muskelprotzen weit und breit keine Spur.

„80 Prozent meiner Kunden kommen mit Vorerkrankungen hierher, das Durchschnittsalter liegt bei Ende 40“, sagt Pröpping, die sich mit ihrem Studio bewusst auf die Zielgruppe spezialisiert hat, die demografischen Prognosen zufolge in den kommenden Jahren stark wachsen wird.

BWL-Kenntnisse so wichtig wie medizinisches Wissen

Schlaganfallopfer und Herzinfarkt-Patienten arbeiten sich unter ihrer Anleitung zurück ins Leben, andere haben künstliche Gelenke, Diabetes oder leiden an den Spätfolgen jahrelangen Leistungssports. „Um diese Kunden verantwortungsvoll unterstützen zu können, braucht es echtes medizinisches Know-how“, sagt die Studiobesitzerin. Nicht weniger wichtig sei aber auch das betriebswirtschaftliche Wissen.

Ein halbes Jahr nach der Eröffnung ihres Studios hat Pröpping 165 Kunden in der Kartei und steht eigenen Angaben zufolge kurz davor, schwarze Zahlen zu schreiben. Mit ihren Mitgliedsbeiträgen muss sie einen monatlichen Kostenblock von rund 11.000 Euro bewältigen, 50 Prozent davon sind Personalkosten für das Dutzend Mitarbeiter, unter ihnen viele Teilzeitkräfte.

Die Kosten wären noch höher, wenn die Jungunternehmerin bereits wie geplant einen gut ausgebildeten Berufskollegen mit Erfahrungen im medizinischen Fitnesstraining eingestellt hätte. „Ich habe lange nach einem geeigneten Fitnessökonomen oder Physiotherapeuten gesucht – vergeblich. Deshalb bilde ich mir meine Fachkräfte eben selbst aus.“ Jetzt arbeiten an den Laufbändern zwei Studenten an ihrem Traum vom Fitness-Bachelor.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant