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Privatpatienten sind höheren Beiträgen ausgeliefert

Röntgenbefunde Röntgenbefunde
Das Röntgen-Foto einer chirurgischen Praxis zeigt einen Oberarmrollenbruch: Wer als Privatpatient mehr als die Standardbehandlung erwartet, muss früher oder später draufzahlen
Quelle: picture-alliance / Klaus Rose/dpa
Nichtzahler und Niedrigzinsen belasten private Krankenkassen. Letzter Ausweg sind höhere Beiträge, viele Patienten sitzen in der Kostenfalle.

Über Post von ihrer Krankenkasse sollten sich Privatversicherte dieser Tage besser nicht freuen. Die Chancen stehen gut, dass der Brief einen Bescheid über eine Beitragserhöhung enthält – 20 Prozent Zuschlag und mehr verlangen einzelne Anbieter. Über die Hälfte aller Tarife soll eine Anpassung erfahren.

Versicherte, die dann wechseln wollen, brauchen gute Nerven und auch Hartnäckigkeit, um den für sie passenden Tarif zu finden – wenn es sich für sie überhaupt lohnt zu wechseln. Mehr als die Hälfte der Tarife in der privaten Krankenversicherung (PKV) wird im kommenden Jahr laut den Versicherungsanalysten von Morgen&Morgen „angepasst“.

Für die allermeisten Kunden bedeutet das, dass sie mehr für ihre Krankenversicherung zahlen müssen . Bei Frauentarifen machen die Erhöhungen kommendes Jahr im Schnitt 3,6 Prozent aus, bei Männertarifen 5,1 Prozent. Damit liegt die Steigerung unterhalb des Durchschnitts der letzten Jahre – jedoch sind bei den Werten für 2012 bisher nur die bereits von den Gesellschaften veröffentlichten Beitragsanpassungen berücksichtigt.

Wer denkt, der Trend zu höheren Beiträgen sei gebrochen, liegt aller Voraussicht nach falsch. Noch nicht abschließend in die Berechnungen eingepreist ist nämlich der finanzielle Schaden, den die Explosion einer nahezu unberechenbaren Bombe reißen wird, die in den Büchern der PKV-Bilanzen tickt: nicht ausfinanzierte, also zu billige Einsteigertarife.

Die Versicherer selbst geben ein teures Gesundheitswesen als Grund für die Prämiensteigerungen an: höhere Lebenserwartung, stetiger Fortschritt von Behandlungsmethoden, neue Medikamente, höhere Pflegesätze in den Krankenhäusern. Die Leistungsausgaben lagen nach Angaben des PKV-Verbandes im Abrechnungsjahr 2009/2010 rund 4,6 Prozent höher als im Vorjahr und beliefen sich auf mehr als 20 Milliarden Euro.

Niedringzinsen machen Kassen zu schaffen

Kletternde Kosten sind aber nur ein Problem, das die Versicherer haben. Auch das lang anhaltende Niedrigzinsniveau macht es den Anbietern, die ähnlich den Lebensversicherern mit einem Garantiezins arbeiten, schwer, diesen zu erwirtschaften und zu halten. Versicherungsexperte Manfred Poweleit hat stagnierende Kapitalerträge innerhalb der Branche ausgemacht: „Bei einigen Gesellschaften, wie etwa der Alten Oldenburger, Central, Münchener Verein und UKV, waren die Kapitalerträge sogar niedriger als im Vorjahr.“

Die Pläne der Opposition zur Einführung einer Bürgerversicherung sind ebenfalls ein Schlag für die PKV – so sie verwirklicht werden. Eine Folge wäre, dass das Neukundengeschäft für die PKV schlicht wegbräche. Dabei kämpft die Branche ohnehin gegen Kundenschwund an – daran änderte auch die starke Vereinfachung des Wechsels aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nichts, die seit 2011 gilt.

Laut Poweleit konnte rund ein Drittel der Gesellschaften Verluste im Bestand der Vollversicherung nicht durch Neuabschlüsse kompensieren. Und obendrauf kommen mehr als 88.000 Nichtzahler in den Reihen der Versicherten, die von den Beitrag zahlenden anderen Versicherten mit durchgebracht werden müssen – ein Rausschmiss ist so gut wie ausgeschlossen. Viele dieser Nichtzahler haben sich die Gesellschaften über besonders günstige Lockangebote selbst ins Boot geholt. Um ihre Probleme mit der Nachwuchsarbeit zu lösen, erfanden Krankenversicherer Einsteigertarife – und haben sich damit ein weiteres Problem in die Bücher geholt.

Die Einsteigertarife sind als genau das gedacht, was der Wortlaut besagt: ein Einstieg in die Tarifwelt der PKV. „Die Tarife sind nicht für die Ewigkeit gedacht“, sagt Gerd Güssler, Geschäftsführer des Analysehauses KVPro. Die Tarifkalkulationen sehen einen dauerhaften Verbleib nicht. Lethargisch aber, wie Menschen sind, bleiben viele Privatversicherte in ihrem unterfinanzierten Billigtarif.

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„Und die Nachfinanzierungsspirale dreht sich immer schneller und schneller – auch weil die Krankheitskosten mit der Zeit steigen“, sagt Güssler. Ein Risiko ist das nicht nur für den Versicherten, der zum einen viele Kosten selbst tragen und zum anderen auch noch Beitragserhöhungen verkraften muss.

Laut den Versicherungsanalysten von Franke und Bornberg können gerade viele Kunden aus der Zielgruppe für die günstigen Einsteigertarife ihre Beiträge schlicht nicht bezahlen. Die Central, die vor einigen Tagen mit deutlichen Erhöhungen von 20 Prozent und mehr für Aufregung sorgte, habe im August versucht zu entschärfen und ihre Einsteigertarife für das Neugeschäft geschlossen. Und auch die DKV habe angekündigt, ihre Einsteigertarife ab dem Jahr 2012 nicht mehr zu verkaufen.

Im Kampf um Kunden können Versicherer aber mit den Billigtarifen oft punkten . „Werbung und auch Verkauf gehen aktuell allein über den Monatsbeitrag“, sagt KVPro-Chef Güssler. Und beim Rennen um die besten Plätze in den Preisvergleichen werden Preise und Leistungen reduziert – bis zum Anschlag und auch darüber hinaus. „Oft ist die Kalkulation knapp oder sogar zu knapp“, so die Analysten bei Franke und Bornberg.

Oft bleibt nur Wechsel innerhalb der Versicherung

Es sei sehr wahrscheinlich, dass Gesellschaften auch in Zukunft erhebliche Erhöhungen durchsetzen müssten, „um ihre Tarife lebensfähig zu halten“. Eigentlich hängen Beiträge in der PKV vor allem davon ab, wie alt der Versicherte war, als er seinen Privatpatientenstatus erworben hat, wie umfangreich seine gebuchten Leistungen sind und wie gesund er ist – daraus errechnet die Gesellschaft dann wie jeder Versicherer die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens, also das Risiko.

Auf diesen Beitrag kommt noch ein Schlag für die Altersrückstellungen – ein Polster, das die Prämienerhöhung im Alter abfedern soll. Anpassen dürfen die Gesellschaften immer dann, wenn die prognostizierten Ausgaben für Leistungen die erwarteten Prämieneinnahmen überschreiten – sprich, wenn die bisherigen Beiträge nicht reichen würden, die Kosten zu decken. „Diese möglichen Erhöhung sind leider nicht gedeckelt“, sagt Hajo Köster vom Bund der Versicherten.

Zwar hat jeder Kunde das Recht, innerhalb der Angebote seines Versicherers in einen gleichwertigen Tarif zu wechseln – jederzeit. Auf Hilfe der Versicherungsgesellschaft sollte sich der Privatpatient jedoch nicht verlassen. Vor allem langjährig Versicherten, die sich vor dem Jahr 2009 für ihren Anbieter entschieden haben, bleibt nichts anderes übrig, als innerhalb der Gesellschaft zu wechseln. Andernfalls würde ihnen ein Großteil bereits angesparter Altersrückstellungen verloren gehen.

Wer jedoch den Tarif wechselt in der Absicht, weniger Beiträge zu zahlen, wird in der Regel auch Einbußen bei den Leistungen hinnehmen müssen. So oder so geben die Krankenversicherer ihr finanzielles Leid an die Versicherten weiter. Wer künftig Sonderwünsche wie Einbettzimmer, Chefarztbehandlung, Wartezimmer mit Ledersofas und die neuesten Medikamente verlangt, wird immer tiefer in die Tasche greifen müssen.

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