Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Gesundheit
  3. Impfung: Forscher wollen Grippeviren ein für allemal auslöschen

Gesundheit Impfung

Forscher wollen Grippeviren ein für allemal auslöschen

Noch ist die Impfung der realistischste Schutz vor einer Grippe-Infektion Noch ist die Impfung der realistischste Schutz vor einer Grippe-Infektion
Noch ist die Impfung der realistischste Schutz vor einer Grippe-Infektion
Quelle: dapd
Noch ist die Impfung der beste Weg, um sich gegen Grippe zu schützen. Doch Forscher tüfteln an wirksameren Strategien, um das Virus auszulöschen.

Im Jahr 1918 brach eine Pandemie aus, die vergleichbar war mit der Pest von 1348. Bis zu 50 Millionen Menschen, so schätzen Forscher heute, starben damals an der Infektion mit dem Influenzavirus. Die Krankheit wurde Spanische Grippe getauft. Doch der eigentliche Ursprung des tödlichen Erregers war bislang unbekannt. Als wahrscheinliche Quelle galten Militärlager im US-Bundesstaat Kansas. Nun haben Wissenschaftler des National Institute of Health in Bethesda, Maryland, einen Hinweis gefunden, von wo und ab wann die tödliche Seuche tatsächlich ihren Lauf nahm.

Die Wissenschaftler untersuchten die Leichen von 68 US-Soldaten, die zwischen Mai und Oktober 1918 gestorben waren. 37 der Autopsien ergaben eine Infektion mit der Grippe. Doch vier der Männer hatten sich anscheinend schon Monate vor der Ausbreitung mit dem Erreger angesteckt – Sie waren die ersten Opfer der Spanischen Grippe, schreiben die Forscher im Fachjournal „PNAS“.

In den Laboratorien weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, eine weitere fatale Grippeepidemie zu verhindern. Dazu arbeiten sie an der Verbesserung von Impfstoffen zur Prävention sowie an Medikamenten zur Behandlung. Dennoch erkranken alljährlich zu Beginn der kalten Jahreszeit Menschen an Grippe – und sterben an der durch Viren übertragenen Krankheit.

In diesem Herbst kommt die Welle später als im Vorjahr. Das zeigt unter anderem das Trendbarometer der Suchmaschine Google. Erst Mitte Oktober gaben so viele Menschen wie im vergangenen Jahr den Begriff „Grippe“ ein.

Lesen Sie auch

Dabei ist schon die Grippesaison 2010/11 nach erster Bilanz des Robert-Koch-Instituts recht mild verlaufen. Rund 2,1 Millionen Menschen seien wegen einer Grippe zum Arzt gegangen, rund 1,2 Millionen Menschen meldeten sich arbeitsunfähig und rund 4700 Menschen mussten wegen schwerer Symptome im Krankenhaus behandelt werden.

Jeder Grippepatient ist allerdings einer zu viel. Denn nur durch eine Eindämmung Influenzaviren lässt sich eine Epidemie verhindern. Dazu trägt die Einhaltung von Hygieneregeln bei: In den Ärmel oder in ein Papiertaschentuch niesen und Husten und nie in die Hand – dafür aber häufig die Hände waschen und den Kontakt zu Infizierten meiden. Außerdem bietet die Grippeimpfung Schutz.

Es gibt zwei Untergruppen von Influenzaviren – Typ A und B. Typ-A-Viren werden wiederum nach den Proteinen unterschieden, die an ihrer Außenhülle anhaften. Sie tragen unterschiedliche Hämaglutinin und Neuramidase Glykoproteine – also unterschiedlich aufgebaute Eiweiße mit einer Zuckerketten – an ihrer Hülle.

Der Schweinegrippeerreger A (H1N1) ist ein Typ-A-Influenzavirus. Es löste im Jahr 2009 in Deutschland die größte Grippewelle seit 1968 aus und wurde von der Weltgesundheitsorganisation zur globalen Pandemie erklärt. Normalerweise befallen die Viren des Typs A Wasservögel und andere Tiere wie Schweine, Pferde oder Seehunde. Sie können jedoch auch auf Menschen übergehen.

In den gemäßigten Klimazonen treten zu Beginn und zu Ende der kalten Jahreszeit Grippewellen auf. Mit jedem neuen Jahr muss die Grippeimpfung aufgefrischt werden. Das liegt daran, dass das Erbgut des Erregers mutiert und das Virus sich ein neues Gewandt aus Eiweiß- und Zuckermolekülen zulegt. Immunzellen, die durch die Impfung aus dem vergangenen Jahr mit den Viren der Vorsaison bekannt waren, erkennen nun das neu eingekleidete Virus nicht.

Erbgut und Proteine übertragen

Anzeige

Wenn sich ein Mensch gleichzeitig mit zwei oder mehr verschiedenen Influenzaviren ansteckt, kann es zu einem gegenseitigen Genaustausch zwischen den Erregern kommen. Diese sogenannte genetische Reassortierung kommt nur bei Grippeviren des Typs A vor und kann im Tier wie auch beim Menschen passieren.

Der Schweinegrippeerreger H1N1 wurde in einer solchen „ménage à trois“ von einem Vogel-, Schweine- und menschlichem Influenzavirus geschaffen. Auch die Viren, die aus einer Begegnung mit anderen Erregern entstehen, tragen eine neu zusammengesetzte, für ihren Typ spezifische Virushülle.

Die Hämaglutin-Struktur ist für das Virus überlebenswichtig. So koppelt es sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an die gesunde Wirtszelle an und überträgt ihr Erbgut und bestimmte Proteine. Dann nutzt das Virus die besetzte Zelle, um sich fortzupflanzen. Dieselbe Hämaglutin-Struktur erlaubt jedoch auch Zellen des Immunsystems, anzudocken und das Virus zu vernichten.

Das Hämaglutinin besteht aus einem Köpfchen und einem Stamm. Bislang setzte die Forschung beim Angriff auf die Grippeviren auf die kleinen Köpfchen. Doch diese sind besonders mutationsfreudig. Nun arbeiten Wissenschaftler daran, den Stamm des Hämaglutinins zu blockieren um das Virus dadurch unschädlich zu machen.

„Grippeimpfungen werden heutzutage aufs Geratewohl hergestellt“, sagt Stephen C. Harris, Chef der Abteilung für molekulare Medizin am Children’s Hospital in Boston (Massachusetts). „Wir impfen mit einem Virus oder einem Teil eines Virus und hoffen, dass die Antwort des Immunsystems in die richtige Richtung geht“, so Harris.

Doch seinem Team ist womöglich ein wichtiger Schritt gelungen, um eine effektivere Grippeimpfung zu schaffen, die mehrere Grippetypen gleichzeitig angreift. Grundlage waren Abwehrzellen im Blut eines im Jahr 2007 geimpften Probanden. Aus diesen entwickelten die Forscher mithilfe von molekulargenetischen Methoden eine Reihe von Antikörpern, die an das Hämaglutinin an der Außenhülle von Grippeviren mehrerer Generationen andocken.

Wirkung gezeigt

Besonders eine Abwehrzelle tat sich bei der Studie, die im Fachblatt PNAS veröffentlicht wurde, hervor: der Antikörper CH65. Er dockte an 30 der 36 getesteten Hämaglutin-Strukturen an und neutralisierte das Virus. „Wir möchten eine Immunantwort, die das Virus, gegen das wir impfen, sowie verwandte Typen blockiert. Diese Ergebnisse zeigen, welche Strategien wir nutzen könne, um unser Ziel zu erreichen“, sagt Harris.

Anzeige

Schon im vergangenen Jahr haben zwei weitere Teams von Wissenschaftlern von ihren Forschungserfolgen mit „Breitbandantikörpern“ berichtet. So überlebten in den Experimenten des Molekularbiologen Damian C. Ekiert vom Scripps Research Institute in La Jolla (Kalifornien) mit einer Reihe von verschiedenen Grippeviren infizierte Mäuse, wenn sie vor oder währendder Erkrankung mit dem Antikörper CR8020 geimpft wurden. Seine Studie wurde im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht.

Auch der Antiköper f16, den der Schweizer Immunologe David Corti vom Institute for Research in Biomedicine in Bellinzona einsetzte, zeigte in Versuchen mit Mäusen und Papageien Wirkung gegen verschiedene Grippeerreger.

Das Problem an vorbeugenden Impfungen ist, dass sie eine gewisse Zeit brauchen, bis sie tatsächlich wirken. Bei einer normalen Grippeimpfung kann der Schutz nach Angaben des Paul-Ehrlich Instituts bis zu zwei Wochen nach dem Pieks auf sich warten lassen. Wer sich in dieser Zeit infiziert, muss die Grippe entweder aushalten oder sie mit einem der umstrittenen vorhandenen Virenhemmer „Zanamivir“ oder „Oseltamivir“ behandeln lassen.

Doch die Wirksamkeit dieser Medikamente ist im vergangenen Jahr unter anderem von Wissenschaftlern der Cochrane Collaboration – einer Non-Profit-Organisation, die sich auch für die Transparenz der Forschung im Gesundheitswesen einsetzt – durch eine Übersichtsstudie in Frage gestellt worden.

Deshalb versuchen Wissenschaftler neue Wege zu finden, wie sie die Grippe mildern oder stoppen können, wenn sich der Patienten schon infiziert hat. Dabei spielt die Aktivierung des körpereigenen Immunsystems eine entscheidende Rolle.

Sterberate verringert

An der University of Texas hat das Team um den Immunologen Homayoun Shams erfolgreich den Wachstumsfaktor GM-CSF getestet. Mit diesem Botenstoff aktivierten die Forscher die Immunzellen im Lungengewebe von Mäusen. Sie entwickelten so in ihrer Lunge verstärkt Fresszellen, sogenannte alveoläre Makrophagen. Diese Zellen konnten die Influenzaviren – unter ihnen auch der Schweinegrippeerreger A H1N1 – unschädlich machen. In ersten Versuchen mit bereits infizierten Mäusen hatte sich die Sterberate um 30 Prozent verringert, schreiben die Forscher im „American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine“.

Auf eine andere Strategie setzt ein weiteres Forscherteam des Scripps Research Institutes. Den Wissenschaftlern war aufgefallen, dass sich Grippeerkrankungen stark unterscheiden: Während ein Patient nur Schnupfen und ein wenig Fieber bekommt, stirbt ein anderer an der Infektion. Die Wissenschaftler aus Kalifornien führen diese heftige Reaktion auf einen sogenannten „Zytokinsturm“ zurück.

Zytokine sind chemische Botenstoffe, die Entzündungen vorantreiben. Sie werden mit vielen Todesfällen während der großen Grippepandemie von 1918, aber auch mit denen der Schweinegrippe in Verbindung gebracht.

Ein Sturm von Zytokinen

„Lange Zeit wurde angenommen, dass das Virus den Schaden auslöst. In Folge dessen hat man sich darauf konzentriert, antivirale Wirkstoffe zu entwickeln“, sagt der Co-Autor der Studie, Michael Oldstone. Dabei ist es die überschießende Antwort des eigenen Immunsystems auf das Virus, die fatal ist, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Cell“.

Die Zytokine stammen nicht aus den Viruszellen, sondern – das fanden die Forscher heraus – aus Zellen in unseren Blutgefäßen. Ein Protein mit dem Namen S1P1, das die Forscher auf diesen Zellen fanden, ist für die Auslösung eines Zytokinsturms unerlässlich. Werden diese Proteine in Mäusen unschädlich gemacht, wird die übermäßige Immunreaktion verhindert und sie haben eine viel größere Chance, die Erkrankung zu überleben. Verschiedene Unternehmen testen bereits Wirkstoffe gegen das Protein in klinischen Studien.

Erst kürzlich erschien eine weitere Studie in den „Annals of Neurology“, die die Wichtigkeit eines solchen Medikaments verdeutlicht. Darin berichtet das Team um Emannuel Mignot von der Stanford University von einem besorgniserregenden saisonalen Muster: Narkolepsie, die sogenannte Schlafkrankheit, trat in China vermehrt fünf bis sieben Monate nach einer Grippewelle auf. Die meisten Fälle traten im April – also fünf Monate nach dem üblichen Beginn der Grippewelle –, die wenigsten im November auf.

Einen Zusammenhang mit der Grippeimpfung konnten die Forscher nicht feststellen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch die Influenzaviren eine Autoimmunerkrankung ausgelöst wird, die wiederum zu Narkolepsie führt.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema