Ein Sozialmediziner fordert Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden des deutschen Gesundheitssystems im europäischen Vergleich. Deutschland war vor wenigen Wochen beim Euro Health Consumer Index (EHCI) von Rang 6 auf Rang 14 abgerutscht. Die Bundesrepublik liege im Ranking von 34 Gesundheitssystemen nun auf dem gleichen Niveau wie Irland und Tschechien, sagte Prof. Ulrich Keil von der Universität Münster.
Besonders ernst nimmt Keil die schlechte Bewertung Deutschlands bei Krankenhausinfektionen. "Es wird geschätzt, dass dadurch jährlich bis zu 30.000 Menschen versterben. Um eine verbesserte Krankenhaushygiene müssen wir uns daher intensiv bemühen", sagte der Epidemiologe.
Keil war Berater des schwedischen Untersuchungsgremiums "Health Consumer Powerhouse", das seit Jahren die Gesundheitssysteme in Europa aus der Sicht der Patienten bewertet.
Problemfelder Antibiotika und Dialyse
Laut der EHCI-Studie war auch das Wissen der Bevölkerung zur Wirkungsweise der Antibiotika mangelhaft. "In Deutschland wussten weniger Menschen als in vielen anderen Ländern Europas darüber Bescheid, dass Antibiotika nur gegen Bakterien, nicht aber gegen Viren wirksam sind. Das kann dazu führen, dass in Deutschland Antibiotika zu leichtfertig verschrieben und eingenommen werden", sagte Keil.
In den Niederlanden sei das Versorgungssystem bei der Behandlung von Erkältungskrankheiten mit Antibiotika viel zurückhaltender. Beim Ranking der europäischen Gesundheitssysteme liegen die Niederlande auf Platz 1.
Auch bei der Dialysebehandlung (Blutwäsche) schneidet Deutschland nicht gut ab. "In Skandinavien wird zum Beispiel die sogenannte Heimdialyse wesentlich häufiger durchgeführt als in Deutschland", sagte Keil. "Die Heimdialyse gilt unter Experten als schonender für den Patienten, da er nicht aus seinem sozialen Umfeld herausgerissen wird. Zudem ist die Heimdialyse billiger. Da bekommt man leider den Verdacht, dass der Faktor Einnahmen für das Krankenhaus bei der Behandlung in Deutschland eine große Rolle spielt."
"Abschneiden ist sehr enttäuschend"
Auf dieser Linie liege auch ein weiterer Kritikpunkt des schwedischen Untersuchungsteams – nämlich die überdurchschnittlich hohe Zahl an Kaiserschnitten in Deutschland. "An ihnen verdient ein Krankenhaus mehr als an einer normalen Geburt. Die hohe Rate hat aber mit großer Wahrscheinlichkeit auch etwas mit dem Lebensstil zu tun", betonte der Sozialmediziner.
Negativ fiel Deutschland auch bei der Prävention auf, wenn es um das Rauchen ging. "Im europäischen Vergleich ist hier noch immer großer Nachholbedarf. In Deutschland rauchen mehr als 30 Prozent der Erwachsenen. In Schweden sind es bei Männern zehn und bei den Frauen 15 Prozent", sagte Keil.
Der Mediziner stellte klar: "Wir dürfen das schlechte Ergebnis nicht überbewerten. Aber bei einem so teuren Gesundheitssystem wie dem deutschen ist ein Abschneiden im Mittelfeld doch sehr enttäuschend."