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Die Welt bewegen EU-Pläne

Ein Datumsstempel für jeden gefangenen Fisch

Korrespondent
Lachs in der Fischtheke Lachs in der Fischtheke
Lachs in der Fischtheke. Wenn Fisch gekauft wird, dann liegt der Lachs an dritter Stelle
Quelle: dpa-tmn
Neue Pläne der EU-Fischereipolitik: Der Beifang soll an Land gebracht, Fischer sollen mit Kameras überwacht werden. Außerdem soll das Fangdatum dokumentiert werden.

Europas Fischern wird künftig wohl bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Denn die EU-Kommission will im Zuge der geplanten gemeinsamen Fischereipolitik durchsetzen, dass ab 2013 auf allen Fischereibooten Kameras die Arbeit der Fischer überwachen. In Zukunft soll unter anderem der Beifang anders geregelt werden: Es soll – anders als heute – alles angelandet werden, was die Fischer gefangen haben. Mit Hilfe der Kamerabilder will die EU dies überprüfen.

Heute sieht die Regel zum Beifang, auch Discard genannt, so aus: Ist ein Fischkutter auf Kabeljaufang unterwegs und hat dabei zusätzlich Heringe im Netz, muss er diese Beute zurück ins Meer werfen. Denn ihm fehlt die Erlaubnis, die sogenannte Quote, für die Fischart. Obwohl auf diese Weise viel Fisch wieder im Wasser landet, ist diese Arbeitsweise – aus Sicht der Industrie – effizient und produktiv. Allerdings verenden dadurch jedes Jahr Tausende Tonnen Fisch .

Mit nachhaltiger Fischerei hat dies wenig gemein – darum soll das Fang-Prozedere künftig gewandelt werden. Doch es gibt Widerstand von Seiten der Fischer. „Wir halten nichts von Aufzeichnungen an Bord. Eine obligatorische Kontrolle am Arbeitsplatz per Kamera sollte generell verboten sein“, fordert Matthias Keller, Hauptgeschäftsführer des Fisch Informationszentrums (FIZ) in Hamburg. So viel Vertrauen solle die EU schon haben, dass die Fichereibetriebe Regeln auch anwenden werde, meint der Cheflobbyist der deutschen Fischbranche.

EU will neue Fischereipolitik

Der Kampf zwischen EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki und der Fischindustrie geht derzeit in die entscheidende Runde. 2013 will die Griechin die Reform der Fischereipolitik verabschieden, ein Jahr später soll sie in nationales Recht umgesetzt werden. Im Kernpunkt sind sich sogar alle Interessenvertreter einig: Die EU-Politikerin, die deutsche Fischindustrie oder auch Greenpeace haben sich allesamt eine nachhaltigen Fischwirtschaft mit vertretbaren Fangmethoden zum Ziel gemacht.

Die Bestände sollen nicht überfischt und den Fischarten soll Zeit zur Regeneration gegeben werden. Dies alles mit Hilfe wissenschaftlich nachvollziehbarer Methoden: Fangpläne sollen dann über mehrere Jahre hinweg gelten und die Fangquoten weniger stark schwanken.

Doch wie meist steckt der Teufel im Detail: Beim Beifang will EU-Kommissarin Damanaki erreichen, dass überhaupt kein „ungewollter“ Fang mehr über Bord geht. Ab 2014 soll es losgehen, zunächst bezogen auf eine Fischart. Bis 2016 sollen dann alle Arten hinzukommen.

Doch die Industrie will kein generelles Verbot akzeptieren. Dafür müssten Fangquoten übertragen werden, die Bürokratie sei kaum zu bewältigen, lauten Argumente. „Fängt ein Krabbenfischer als Beifang junge Scholle oder Seezunge, muss es möglich sein, dass er sie wieder über Bord wirft“, sagt FIZ-Chef Keller.

Beifang soll ganz behalten werden

Eine absolute Regel widerspreche der Arbeit der Fischer auf dem Meer. Umweltverbände sehen das anders. „Wenn wir uns die bedrohten Bestände anschauen, wird klar, dass schnell etwas passieren muss. Beifang muss vermieden werden, so weit das geht, und der Rest muss an Land gebracht werden“, sagt Iris Menn, Meeresbiologin von Greenpeace, „Welt Online“.

Auch eine weitere Frage ist strittig: In Zukunft soll jeder Fisch ein Fangdatum bekommen. Auf der Fischpackung aus der Tiefkühltruhe zum Beispiel wäre dann ersichtlich, wann der Seelachs ins Netz gegangen ist. Das sei eine „Übermaßregelung“, der Kunde sei allein am Mindesthaltbarkeitsdatum der Ware interessiert, wehrt die Fischindustrie ab. Ein exaktes Datum anzugeben, sei schlichtweg nicht möglich, weil für den Verkauf einzelne Fänge gemischt und nach Größen sortiert würden.

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„Eine vollständige Rückverfolgung bis zum Fangtag ist sehr wohl sinnvoll“, hält Greenpeace-Aktivistin Menn dagegen. Das Beispiel der Katastrophe von Fukushima zeige, wie wichtig Detailinformationen sein könnten. Fisch, der dort vor der Atomreaktorexplosion gefangen worden sei, könne sicher anders eingeschätzt werden als Ware aus der Zeit danach. Und es ist wohl nicht nur die Komplexität des Verfahrens, die bei der Industrie Widerstand gegen die Veröffentlichungspflicht des Fangdatums auslöst.

Fangdatum vermerken

Ein Datum auf der Fischpackung könnte auch vielen Fisch-Freunden Illusionen rauben: Nicht selten ist zum Beispiel ein Fischfilet aus der Kühltruhe schon vor mehr als einem Jahr gefangen worden. Der Grund: Fischtrawler sind mehrere Monate unterwegs, und die Verarbeitung geschieht oftmals in Asien. Kabeljau etwa aus russischen Gewässern wird teilweise nach China verschifft und dort in riesigen Fischfabriken mit mehreren Tausend Mitarbeitern zu Portionsware verarbeitet.

Aus jedem Fisch holen die asiatischen Fabrikarbeiter zehn Prozent mehr Ausbeute heraus, als dies in europäischer Fertigung möglich ist, rühmt die deutsche Fischindustrie die Arbeitsteilung. Je nachdem, was und wo der Kunde kauft: Sein Fisch kann vor ein paar Tagen oder auch vor mehr als einem Jahr gefangen worden sein.

Auch wenn über die Umsetzung einer gemeinsamen Fischereipolitik noch gestritten wird, ist das geplante Vorhaben sicherlich wichtig – allein, damit es in Zukunft noch große Fischschwärme geben wird. Denn die Nachfrage steigt in Deutschland jedes Jahr: 15,7 Kilogramm Fisch , gemessen am Fanggewicht, hat jeder Deutsche 2010 verzehrt. Auch das Fischessen im Restaurant ist hier mit eingerechnet. Insgesamt waren es 1,28 Millionen Tonnen, so viel wie nie zuvor. Dieses Jahr soll der Pro-Kopf-Verzehr nach Aussage des FIZ auf rund 16 Kilogramm steigen.

Fisch wird beim Discounter gekauft

Ganz wesentlich sind die Fischimporte aus anderen europäischen Ländern. Denn Deutschland ist beim Fischfang keine Größe mehr und liegt hinter Spanien, Frankreich, Portugal und Italien auf Platz sieben.

Die Hitliste der beliebtesten Fische der Deutschen hat sich nicht verändert: Alaska Seelachs steht vor Hering und Lachs auf Platz eins, der Zuchtfisch Pangasius folgt nach Thunfisch auf Platz fünf. Eingekauft wird Fisch vor allem beim Discounter: Fast 53 Prozent der Absatzmenge und rund 44 Prozent des Umsatzes im Fischverkauf entfielen auf Aldi, Lidl und Co. Danach folgen Supermärkte, die immer häufiger frische Ware an der Fischtheke anbieten.

Das klassische Fischgeschäft kommt den Zahlen zufolge auf einen Absatzanteil von knapp fünf Prozent. In all diesen Läden haben die Deutschen im ersten Halbjahr 2011 Fisch im Wert von 1,4 Milliarden Euro gekauft, das waren neun Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Führend sind dabei Hamburg und Schleswig-Holstein. In Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg landet am wenigsten Fisch auf dem Tisch.

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