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Webwelt & Technik Magazin "Aside"

Deutsche Webdesigner umgehen den App Store

Das Online-Magazin "Aside" ist die erste Web-App für Apples Tablet iPad, die in Deutschland mit HTML5 entwickelt wurde Das Online-Magazin "Aside" ist die erste Web-App für Apples Tablet iPad, die in Deutschland mit HTML5 entwickelt wurde
Das Online-Magazin "Aside" ist die erste Web-App für Apples Tablet iPad, die in Deutschland mit HTML5 entwickelt wurde
Quelle: asidemag.com
Zwei Studenten machen Apple Sorgen: Mit der Auszeichnungssprache HTML5 startet ihr Magazin "Aside" direkt im Browser. So umgehen sie den App Store.

Die Sache, die man bei Apple lieber nicht kommentieren möchte, beginnt in einer Studentenbude in Berlin-Friedrichshain. Johannes Ippen (26) sitzt an seinem Rechner und tippt:

<!DOCTYPE html><html><head><meta property="og:url" content="http://www.asidemag.com/" ></head>

Das, was Ippen da eingibt, ist eine Sprache, die Auszeichnungssprache HTML5. Mit Hilfe der Sprache werden Webinhalte erstellt. Noch ist HTML4 der Standard, Variante Nummer fünf steht jedoch schon zur Verfügung.

Per Videochat schaltet sich Nico Engelhardt (26) aus Potsdam zu. Er arbeitet mit Ippen zusammen, die zwei kennen sich von der Uni, beide sind studierte Grafikdesigner mit Schwerpunkt Webdesign. Die Quellcodes sind die ersten Eingaben, das Fundament für ihr aktuelles Projekt: das Online-Magazins „Aside“ .

Wäre „Aside“ ein gedrucktes Heft, dann würde es prima in jeden Friseursalon passen. Ein Artikel beschäftigt sich mit Kitesurfen, ein anderer mit Sushi. Seichte Lesekost eben. Und natürlich fragt man sich, was der Pressesprecher von Apple gegen Kitesurfen und Sushi hat, dass er „Welt Online“ sagt: „Das kommentieren wir nicht.“

Keine klassische Website, sondern eine Applikation

Tatsächlich ist nicht die Verpackung, sondern der Inhalt entscheidend. Das „Aside“-Magazin ist die erste Web-App für Apples Tablet iPad, die in Deutschland mit HTML5 entwickelt wurde. Web-App aus Sicht des Nutzers heißt: Die Applikation wird nicht wie so genannte native Apps auf das Endgerät heruntergeladen, sondern direkt über den Browser gestartet. Die technische Handhabung der Web-App ist dagegen fast identisch. Man wischt sich mit dem Finger durch die Artikel, dreht man das Tablet-Gerät, dann dreht sich die Darstellung auf dem Bildschirm mit.

Auch der Umfang des „Aside“-Magazins mit 40 Magazinseiten inklusive 43 hochauflösenden Bildern, drei Musiksamples und je einem HD-Video und einer drehbaren 3D-Animation liegt mit nativen Apps durchaus auf Augenhöhe. Der Unterschied ist, dass der User einer Web-App online sein muss, weil er sie direkt aus dem Browser lädt. Dazu gibt er eine URL in seinen Tablet-Browser ein und schon stellt das iPad dank HTML5 keine klassische Website, sondern eine Applikation dar.

Und hier wird aus einer technischen Angelegenheit eine politische. Denn Web-App aus Sicht von Apple heißt: Die Applikation umgeht den App Store. Der App Store ist der zentrale Marktplatz im Apple-Kosmos. Allein für das iPad liegen mehr als 65.000 Apps im virtuellen Regal. Doch egal ob Zeitung, Kochbuch oder Spiel: Am Ende entscheiden immer dieselben, welche App es in den Store schafft: Die Apple-Mitarbeiter in Cupertino, Kalifornien. Sie prüfen sämtliche Apps, die Einlass in den App Store erbitten. Die 22 Paragrafen der „App Store Review Guidelines“ regeln die virtuelle Gesichtskontrolle. Es geht um Funktionalität, Religion, Pornografie.

"Aber das, was Apple macht, grenzt an Zensur"

Zwar hat Apple die Kriterien für den App Store erkennbar aufgeweicht, aber vielen Entwicklern ist die Kontrollpolitik des Computerriesen immer noch ein Dorn im Auge. „Wir lieben die Apple-Hardware“, sagen die Entwickler Ippen und Engelhardt. „Aber das, was Apple macht, grenzt an Zensur.“ In Kalifornien habe man nicht erkannt, dass Content und Software zwei verschiedene Dinge seien und sich Inhalte nicht einfach so vorgeben lassen.

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Dass HTML5 das Schlupfloch sein könnte, um den App Store zu umgehen, birgt eine gehörige Portion Ironie. Apple-Chef Steve Jobs ist nämlich ein großer Freund der Technik. Der Grund: HTML5 ermöglicht es Geräten wie dem iPad, auf die Scriptsprache Flash von Adobe zu verzichten, die nach Meinung von Jobs fehlerhaft ist. Schon länger wirbt man bei Apple für HTML5 als die Programmiersprache der Zukunft. Ippen und Engelhardt sind via Apple-Homepage überhaupt erst darauf aufmerksam geworden.

Es scheint, als habe sich der Computergigant mit seiner „Wir regeln alles selbst“-Politik diesmal selbst geschadet, zumal Web-Apps nicht nur Apples technische und inhaltliche Vorgaben umgehen, sondern auch seine Verkaufspolitik. An Apps, die im App Store verkauft werden, verdient Apple kräftig mit. Bei Zeitschriftenabos fließen bis zu 30 Prozent nach Cupertino.

Während das „Aside“-Magazin ein erster Versuch ist, die Technik in Deutschland bekannt zu machen, ist man in den USA schon weiter. Das „Playboy“-Magazin gibt es dort seit kurzem für acht Dollar als Web-App. Unbekleidete Bunnys hätten wahrscheinlich eh keine Chance gehabt, in den App Store zu kommen.

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